Zum Tod von Jim Morrison vor 50 Jahren – Letzter Teil

Regret for wasted nights & wasted years

I pissed it all away …

Not an actor – writer – film maker

Sein Ende also in der Stadt der Liebe. Kein Zufall, das. Auch wenn es zunächst nach einem aussah. Jim zog eigentlich nur der Freundin hinterher, die auf einen jungen Grafen namens Jaime de Bretaille scharf war. Aus Paris wurde dann irgendwie eine Art Auszeit, der kein neuer Anlauf mehr folgen sollte. Der Ausklang eines Lebens besiegelte den privaten Abgang desselben. Ich denke, Morrison wusste nicht länger, worauf es mit ihm und seinem Leben jetzt noch ernsthaft hinaus wollte. Kein halbes Jahr ist er in dieser Stadt gewesen, bevor ihn dort der Tod ereilte. Paris ist also eine Art Schwanengesang gewesen, als eine echte Tragödie, die sich im Verborgenen, in einer Art Versteck vollzog. Auch übermannte ihn dort, wie wir noch sehen werden, einmal mehr jene vieldeutige Leere, die von den letzten Resten eines nunmehr ausgebrannten Feuergeistes zehrte, den nur noch Asche und Rauch an eigener Statt zierten. Jim ließ hinter sich, was zu seinem alten Leben gehörte, von dessen Gewohnheiten er sich freilich nicht mehr trennen konnte, denn er wurde die im Innern rumorenden Dämonen doch nicht los. Morrison hatte sich überlebt: hier wurde es ihm endgültig bewusst.

In trefflicher Entsprechung zu Jims damaliger Situation fand der Geliebte Pams, besagter Graf, die folgenden Worte:“ Wir sind die letzten Dinosaurier – die sterbende Aristokratie.“ Tatsächlich schrumpfte der einst Überlebensgroße nunmehr unrettbar in sich zusammen: noch immer schwer und beleibt, aber erschöpft an Leib und Seele, wurde ihm in Paris auch der eigene Bedeutungsverlust klar. Er hatte sich, für alle sichtbar, in lauter Sackgassen hineingeritten; Paris wurde zur mehr oder weniger unbemerkten, sehr intimen Abschiedsvorstellung. Die Bekanntschaft mit der zierlichen Agnes Varda, die zu den wenigen gehörte, die ihm das letzte Geleit gewährten, stellte noch einmal eine gewisse Nähe zum Film her. In Gestalt dieser schon nicht mehr jungen, doch mädchenhaft zierlichen, knabenhaft anmutenden Prinzessin begegnete ihm jemand, der dem Film als Kunstform verpflichtet blieb, wiewohl sich das zarte Gebilde bereits verflüchtigte. Er selbst verlor sich, endgültig und nunmehr unablässig, im Dusel ungeregelter Tageabläufe, wie denn sein Aufenthalt in der berühmten Metropole noch einmal alte Sehnsüchte weckte – und unnachgiebig richtete. Paris war schon die passende Stadt für einen wie ihn, nicht das agile London, wie sich der unbelehrbare Manzarek entlang eigener Hoffnungen und Wünsche nachträglich einzureden verstand. In dieser damals noch aus alten, längst abgelebten Träumen schöpfenden Binnenmetropole erfüllte sich die seltsam schlafwandlerische Existenz unseres Helden auf sehr schlüssige Art und Weise. Seinerzeit existierte noch, in letzten Resten, das ´alte´ Paris; eines, das der Filmemacher Georg Stefan Troller in seinen Journalen im Zeitraum zwischen 1962 und 1971 (sic!) auf einfühlende Art und Weise beschwor. Auch eine Art Schwanengewölk. Mir persönlichen wollen die Worte Claude Debussys in den Sinn kommen, der sich nach Auskunft seines Biografen Jean Barraqué noch recht gut an den Tag zurückerinnern konnte, als er den begehrten Rom-Preis ergatterte, den das Pariser Conservatoire seinerzeit vergab. Der Ausschreibung bereits überdrüssig, ganz in sich gekehrt und allem Tagesgeschäft abhold, habe er von einer Brücke aus auf die Seine herabgeblickt. Er war ergriffen „von der Faszination des Sonnenlichts, das lieblich auf dem sich kräuselnden Wasser spielte,“ undsprach von dem „Zauber, der die Zuschauer stundenlang auf der Brücke festhielt, diese herrlichen Gaffer, um die uns Europa beneidet.“ Als ihm jemand auf die Schulter klopfte und atemlos bekannt gab, dass er den Rom Preis bekommen habe, war es „mit meiner ganzen frohen Stimmung vorbei.“ Denn:“ Ich sah deutlich die Mühen und Unannehmlichkeiten voraus, die selbst der bescheidenste offizielle Titel unentrinnbar mit sich bringt. Zu allem Überfluss wurde ich mir auch noch bewusst, dass ich nicht mehr frei war.“ Barraqué fand, das Debussy durch diese Worte genau charakterisiert würde:“ Ihm war jede Fessel, jede Verpflichtung nicht nur unerträglich, sondern zugleich ein Angriff auf seine geheimsten Lebenskräfte. Das Pausieren, Bummeln, Träumen gehörte als wesentlicher Bestandteil zu seinem Schaffen. Er wollte Herr seines Lebens sein, über das er in jedem Augenblick frei verfügen konnte.“ Das konnte freilich auch ihm nie ganz gelingen, mochte er sich noch so oft von allen Anforderungen des tätigen Lebens lossagen, wie denn dieser Künstler relativ früh am Erlahmung eigener Schaffenskraft zugrunde ging. Jim tat es noch sehr viel früher. Jene Apathie, die Dylan Jones in seiner recht einseitigen Betrachtung erwähnte, kennzeichnete den jungen Morrison so gut wie den späten. Amusisch veranlagte Menschen begreifen nicht, dass diese Müdigkeit nur den luziden Blick verdeckt, der meist nach Innen gerichtet bleibt, wie denn die wache Bereitschaft ohne das Muskelspieldauernder Konzentration auskommt, deren Anstrengung im Beiläufigen verpufft. Jim hatte, könnte man sagen, eine Art Doppelleben geführt: sehr bewusst und vorsätzlich einerseits, auf Versuch und Verdacht hin andererseits; und immer mit höchstem Einsatz. Er suchte und fand die passende Orte. Los Angeles stand am Beginn seiner Karriere; in Paris wurde dieselbe ganz dezent begraben.

Die Hauptstadt Frankreichs stand, als Zentrum der Nation, stets im Fokus politischer, ökonomischer und gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, doch zehrt ihr Ruhm bis heute hauptsächlich vom Nimbus künstlerischer Daseinsberechtigung, der längst Geschichte ist. Jim zählte zu den Letzten, die noch so eben in diesen Zusammenhang hinein traten, bevor ihn der moderne Ungeist endgültig erledigte. Die Stadt der Aufstände und Barrikaden, der prunkvollen Repräsentationen und nationalpatriotischen Gebärden war auch eine der verkrachten Existenzen, der überdrehten Künstler gewesen, die im Exil noch einmal alles gaben und meist wieder verloren. Nicht wenige dieser kauzigen Existenzen dämmerten oder vegetierten die meiste Zeit eher untätig herum, auf seltene, allzu euphorische Höhepunkte hin, in den Kneipen oder in der Gosse, in Dachstuben und Ateliers, im eigenen Kopf und bis in den Schlaf hinein. Exilanten wie Modigliani oder später Hemingway frönten dem Trunk und dem Äther; harrend einer Inspiration, die sich einstellen mochte oder auch nicht. Fiebernd vor Erwartung oder fastend vor innerer Leere; je nachdem.

Jim hatte den Platz seiner Bestimmung gefunden. Seinem Hang zum Müßiggang konnte er in diesem Milieu mehr denn je nachgehen oder nachgeben, und er tat es im Grunde wie Rimbaud, der zusammen mit Verlaine hauptsächlich durch die Lokale zog und sich hemmungslos betrank. Es entstand, immerhin, sein ´Trunkenes Schiff´, in welchem das uferlose Dahintreiben einen einzigen Rausch umwölkt, der nie formstrenger und entrückter zugleich beschrieben worden ist. Jim hingegen trieb dahin in dauernder Agonie. Rimbauds Texte aus dieser Zeit sind uns übrigens nur erhalten, weil Verlaine sie für sich abschrieb. Ähnlich sorglos ging auch Jim mit seinen schriftlichen Notizen um. Pam strich bei der Durchsicht vor allem die obszönen Stellen. Man könnte den Bogen der Analogie noch ein wenig weiter spannen und in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, das Verlaine damals Rimbauds Freund und Bettgenosse gewesen ist; sein Geliebter, oder in den Worten des Dichters: die Höllenbraut. Sie waren meist gemeinsam unterwegs, infolge ständiger Streitereien aber auch immer mal wieder getrennt voneinander. So lief es nach Angaben Sugarmans in Paris auch zwischen Jim und Pam, obschon dieser nicht im Delirium mit der Pistole auf sie schoss.

Paris scheint unseren Helden langsam und beharrlich, sacht und süß, so zögerlich wie zaudernd zugrunde gerichtet zu haben. Er rauchte Kette und soff schwer wie nie, mit gelegentlichen Absenzen, die aber nicht viel brachten, denn ihm fiel einfach nichts mehr ein. Es herrscht Einigkeit unter den Biografen, dass sich der Rockstar a.D seinerzeit auf einem kreativen Nullpunkt befand. Freilich fiel es unserem Helden schwer, das auch selbst einzusehen. So versicherte er John Densmore in einem Ferngespräch, er schreibe an den besten Sachen, die er je zustande gebracht habe. Anderen, vor Ort Ansässigen, erzählte Jim von einer Oper die er komponiere, aber in Wahrheit, so Jerry Hopkins, saß er die meiste Zeit vor einem aufgeschlagenen Notizbuch und starrte auf leere Seiten, ohne einen einzigen Eintrag zu machen. Er wolle, so hatte Jim noch vor der Abreise versichert, mit dem Trinken aufhören und Gedichte schreiben. Es kam genau andersherum. Morrison blieb ganz er selbst. Und frönte dem Laster: jetzt nicht mehr wie ein Star, mehr in den miefigen Grenzen schweigsamer Anonymität. Ohne professionelle Hilfe, die der alternde Dionysos, ganz dem Mythos vom tragischen Heldentod anheim, ohnehin nicht angenommen hätte, war es ihm weniger denn je möglich, aus dem Morast fest gefahrener Gewohnheiten heraus zu finden. Man kann sich einen wie ihn kaum in der Betty Ford Klinik vorstellen, und lieber noch ging Morrison unfehlbar vor die Hunde als das er irgendwelche Schwächen gezeigt hätte, wiewohl die bereits erwähnten Ausfälle im Delirium schon deutlich anzeigten, wie es um ihn stand. Vielleicht träumte er wirklich davon, in Paris Sammlung zu finden, neue Kräfte zu schöpfen, um dann wie Phönix aus der Asche aufzusteigen. Stattdessen nahm nur die Ermattung zu, sie übermannte den künstlerisch Entmannten wie eine schleichende, unaufhaltsam fortschreitende Tropenkrankheit. Jim löste sich vollends aus allen vitalen Bezügen und ertränkte seine Zweifel endgültig im Suff. In Paris reiht sich passend eine Kneipe an die nächste. Er geriet hier auch schnell in die bereits total heruntergekommene Heroin-Szene vom Circus, ohne selbst zu drücken, denn Heroin machte ihm Angst, er tadelte Pam deswegen, doch schnupfte er das Gift gelegentlich. Das mag, um es an dieser Stelle schon vorweg zu nehmen, in einem unbedarften Moment seinen frühen Tod erwirkt haben, wie seit ein paar Jahren immer häufiger behauptet wird. Die meiste Zeit hing Jim, wie eh und je, in Bars herum, den Rest der Zeit irrte er ziellos in der Stadt umher. Gelegentlich verreiste er, zusammen mit Pam; so etwa nach Korsika, wo es fast nur regnete, oder in den Nordwesten Afrikas, in nächster Nähe zur Wüste. Ob dieser ´Tapetenwechsel´ ihn, der jetzt auch wieder unter asthmatischen Anfällen litt und Blut hustete, ein wenig auskurierte?

Wenn überhaupt, dann nur auf Zeit. Weder gab er das rauchen auf noch löste er sich vom Alkohol. Vielmehr steigerte Jim beides bis zum Exzess. Die Hinfälligkeit der eigenen, waidwunden Gestalt verriet sich in der ganzen Blässe einer Erscheinung, die ihren Träger wie einen ´Dahingleitenden´ erscheinen ließ: greisenhaft umwittert, welk und beinahe weich in jugendlichen Resten, die nur mehr einen fliehenden Schatten ihrer selbst abwarfen. Die äußere Erscheinung verflüchtigte sich zu einem Gespenst, das wie ein müder Spuk Hof hielt. Auch auf der letzten Wegstrecke traf Jim sich mit den tragischen Helden der romantischen Epoche, deren etliche sich, gleich ihm, der schwül-dekadente Atmosphäre hingaben, um im dünnsuppigen Dunst ihre letzten Atemzüge aus zu röcheln.

Der Psychiater Ernst Kretschmer, dessen Lehre von den Konstitutionstypen seinerzeit für viel Aufsehen sorgte, wies in diesem Zusammenhang auf Mustertypen halluzinierender Außenseiter hin, all die „Alkohol, – und Opiumsüchtigen, haltlos hinstürmenden und hinwelkenden, lebens, – und eheunfähigen Dégénérés, die zwar nicht das Wesen der Romantik ausmachen, aber aus ihrer geistigen Atmosphäre auch nicht weggedacht werden können. Es sind Menschen, bei denen nahestehende geistreiche Zeitgenossen nicht ganz mit Unrecht von der intellektuellen Unmäßigkeit sprechen, von der ´Schwelgerei des Daseins´ und der ´maßlosen ´Temperamente der Seele´, die nicht nur die Problematik ihres Lebens, sondern auch ihre körperlichen Leiden bedingten.“

Wie immer sagen Bilder mehr als Worte; fängt der Augenschein umso besser ein, als jeder Sprechgesang verrät. Einmal mehr lohnt in diesem Zusammenhang, gewisse Foto-Reihen zu studieren, die in jener Zeit entstanden sind. Viele sind es ohnehin nicht geworden. Etwa jene, die Herve Muller aufbewahrt; seinerzeit ein junger, aufgeweckter Journalisten, der Morrison eher zufällig kennen lernte und den Versuch unternahm, noch einmal so etwas wie Kreativität aus ihm heraus zu bekommen. Aus dieser Zeit stammen auch die Aufnahmen des befreundeten Studenten Gilles Yepremian; eigentümlich unscharf, als läge die Gestalt schon hinter einem fahlen Todesschleier, der den gewichtigen Saufbruder gnädig dem Auge des entsetzten Betrachters zu entrücken scheint. Die wirklich letzten Bilder entstanden kurz vor Jims Tod, noch einmal in Farbe, und sie bestätigen und ergänzen einen Eindruck, den die vorangegangenen bereits andeuteten. Sie sind und bleiben überhaupt ein gutes Beispiel dafür, das in analogen Zeiten noch eine gewisse Authentizität möglich war, die heute über zahlreiche digitale Filter und Nachbearbeitungen so schamlos hintertrieben wird und den organischen Zusammenhang verdirbt. Auf diesen finalen Bildern ist er fast durchweg mit Pam zu sehen. Alain Ronay, der die meisten geknipst hat, tauchte gelegentlich wie die Inkarnation eines alternden Gralsritters auf. Und Jim? Wir sehen einen Menschen, der einerseits froh zu sein schien, die Monstranzen des eigenen Mythos endlich abgetan, für immer hinter sich gelassen zu haben, selbst aber unfehlbar zu einem müden Wrack dabei verkam. In dem erfolglosen Bemühen, in der Fremde Fuß zu fassen, sich noch einmal neu zu erfinden, zurück zu finden, auch abzunehmen und halbwegs gesund zu werden: nahm nur der eigene Verfall seinen Verlauf. Muller fing Jim bei Tisch vor einem Lokal, unterwegs und auch zusammen mit Pam für die Nachwelt ein. Die Lokalszene wirkt zwiespältig. Morrison sieht hier zwar total geschafft aus, alberte aber mit den andern recht unbekümmert herum, schob sich einen Korken ins Auge und schien für Augenblicke gelöst, weniger geläutert. Auf den Schnappschüssen Yepremians wirkt er beleibter, besoffener – viel fertiger mit aller Welt. Aber eigentlich haben beide, Muller wie Yepremian, nur einen Menschen abgelichtet, dessen Kräfte endgültig schwanden, der sich selbst verlor oder abhandenkam, dessen Gestalt sich trotz fülliger Erscheinung zunehmend aus dem Staub machte und schon in anderen, eigentümlich stofflosen Sphären zu verweilen schien, dem Diesseitigen weniger entfallen, mehr auf Raten entrückt: in matten Schleiern seiner selbst wachschlafend hinüber dämmernd. Auf den allerletzten Fotos wirkte Morrison erstaunlich erleichtert, erlöst – und doch erledigt. Diese Bilder stimmen traurig und versöhnlich zugleich. Sie muten recht eigentlich wie harmlose Urlaubsbilder an. Und zeigen einen vorzeitig gebrochenen, tapfer lächelnden, ratlosen Mann im undefinierbaren Alter, der zwar noch einmal an Gewicht verloren, aber auch seiner selbst verlustig gegangen ist. In den Armen der Muse suchte er Ruhe und Frieden; für den Augenblick. Eigentlich erst in den letzten Wochen fanden diese beiden wie ein echtes Paar zusammen, anfangs ging man eher getrennte Wege. Der elegische Ton der Bildfolgen harmoniert auf verblüffende Weise mit der sehnsüchtigen Leere, die Jim knapp drei Jahre zuvor in dem schon erwähnten Interview für Granada-TV beschwor. Teilnahmslos und entrückt, suchte er sich einen Traum zu vergegenwärtigen, der noch in der ´Arbeit´ mit den Doors verwirklicht werden würde. Ihm schwebe, so Jim damals, eine Musik vor, die wie das Erwachen des Frühlings sei; oder einem Sonnenaufgang gleich. Und er schloss mit der Hoffnung, endlich einmal zur Ruhe, einfach nur ankommen zu können…

Es hat sich ferner ein letztes Video von Jim erhalten. Dort erschien er mit einem Hubschrauber am Set eines Films von Jacques Demy. Und trug noch Bart. Charmant und überaus aufgeräumt, höflich im Umgang und bestens gelaunt gab er sich hier von seiner besten Seite. Einem Jungen gab er ein Autogramm. Man kann gar nicht anders, als diesen Menschen auf Anhieb sympathisch zu finden. Ein Bürger im Revoluzzer Outfit, der als lässiger Bildungsrentner promeniert; entspannt und neugierig, guter Dinge fast. So zuvorkommend und freundlich, zufrieden und mit sich im Reinen, wirkte er immer mal wieder. Zum Schluss machte es sich der bärtige Besucher auf dem Rasen des stattlichen Anwesens gemütlich, und wirkte dabei wie ein Student auf dem Campusgelände. Nach Abschied sah das weniger aus, mehr nach einem kurzen ausruhen. Nach Urlaub eben.

Wenige Tage vor seinem Tod schlenderte Jim über den Pere Lachaise und äußerte den Wunsch, dort begraben zu werden. Er musste es doch geahnt haben.

Wollte man die letzten Tage des ´Amerikaners in Paris´ an dieser Stelle vorläufig zusammen fassen, muss man wohl oder übel fest stellen, dass er sich einmal mehr einfach gehen ließ und von den allerletzten, bis in die totale Erschöpfung reichenden Exzessen weniger erholte: mehr den überfälligen Kredit für seinen endgültigen Abgang einlöste. Die verklärt wirkende äußere Erscheinung Jims, der zuletzt nicht mehr so viel wog und seltsam zufrieden, mit sich im Reinen wirkte, markierte einen echten Schlussstrich. Eher klammheimlich stahl sich unser Held aus dem tätigen, allzu aufdringlichen und fordernden Leben heraus. Die Anonymität einer Großstadt kam dem natürlich sehr entgegen. Hier kannte ihn kaum einer, hier konnte er sich endgültig aus allen lästigen Bezügen lösen. Womöglich bestätigte sich in seinem ganz persönlichen Fall nur das, was ein bekannter Wissenschaftsjournalist einmal im Blick auf die Entwicklung des Alls umfassend zuspitzte und irgendwie auch verklärte: am Ende sei in diesem ständig expandierenden, zu immer höheren Lebensformen drängenden und sich dabei zunehmend verbrauchenden Universums alles Leben: geistig. Ein sich endlos ausdehnender Kosmos, der darob alle innere Kraft verausgabt, eingebüßt, verloren hat, wird doch das Geistige selbst nicht los. Im Gegenteil. Es wächst über alles bloß Materielle, Stoffliche hinaus. Seltsam vergeistigt und körperlos wirkt denn auch der Körperschwere, Körperkranke Mensch dieser letzten Tage. Auch er hatte alle Erfahrungen gemacht, alles in sich aufgesogen und die Essenzen bewahrt, die Inkarnationen vollständig aufgebracht, in sich verdaut oder ausgebrochen. Sprach er nicht früh in seinen Gedichten von diesen leeren, ausgeplünderten Räumen, von irgendeiner öden Zukunft und auch davon, dass man mit der Krankheit weiter mache? Sie richtete ihn zugrunde. Vielleicht war er eine dieser alten, uralten Seelen: überreich beladen mit Erfahrungen aus fremder Zeit, und an der Last ständiger Wiederverkörperung endlich zerbrechend, verzagend an allem also, was noch Existenz sei. Er hat das Ende allzu oft beschworen und vorausgeahnt, und vielleicht kommt diese Todessehnsucht kaum versöhnlicher, ja verständiger zum Ausdruck als in jenem Lied, das den Abgang schon im Titel erwähnt. Die für das Debütalbum eingespielte Version von The End divergiert zu den späteren, eher im Exzessiven kulminierenden Ablegern insofern deutlich, als das hier der im Grunde elegische, fast schwärmerische Grundton überwiegt und die eigentliche Faszination des Gebildes ausmacht. Eigentlich ist es eine Art Wiegenlied, begleitet von vieldeutigen, rätselhaften Wortrunen, die wie ein in Watte gepacktes, kosmisch waltendes Unheil narkotisch und betäubend wirken. Der kurze Steigerungslauf versackt gegen Ende sehr füglich im Gewölk des Anfangs, der die Sinne spreizte. Alles beruhigt sich wieder, ohne doch endgültig Frieden finden zu können. Hier schließt sich der Kreis, sanft und sorgsam; in andächtiger Stille. So klingt auch Jims Stimme in Riders on the storm: eigentümlich standortlos, allgegenwärtig und doch wie ein Spuk, der sich in der Umfassung verflüchtigt und sanft in alle Winde zerstreut. Das deckt sich wohl ganz gut mit der Situation, in der er sich zum Schluss befand. An der auch nichts mehr zu ändern war. Jim hatte sich in eine Lage hinein manövriert, die keinen Ausweg und keinerlei Ausflüchte mehr bot. Nichts konnte noch genügen, denn nun war alles bis auf den letzten Rest aufgebraucht und vertan, bis zum Überdruss erlebt und erlitten, erfahren und erduldet worden. Die kleinen und etwas größeren Dinge des Lebens, denen jede Existenz Andacht und Würde, aber auch Trost und Hoffnung verdankt, mag er noch einmal in matter Verklärung in sich verspürt haben, davon zeugen die letzten Aufnahmen; aber sie schwebten schon im luftleeren Raum, ihnen fehlte die Basis, der feste Grund; etwas also, auf dem sich bauen ließ. Der Wurzellose wuchs nicht länger über die eigene Gestalt hinaus. Kalte Winde trieben dieselbe nun, wie dürres Geäst, über den nackten Bauch des Wüstengrundes mit sich fort. Dionysos hatte gesiegt, Apoll lag gestreckt und gedemütigt am Boden. Man erinnere sich an Jims frühere Manierismen. Nichts als ein müdes Achselzucken, eine lässige Geste des Wegwerfens, ein hochmütiges Lächeln: lauter ehedem reizvolle, ihm wohlanstehende Körpersprachen, die sich nun nicht länger stilisieren ließen.

Nur mehr, in lichten Momenten, packte ihn die nackte Verzweiflung, wovon zahlreiche seiner Ausbrüche und Eskapaden, in Bars und Lokalen, zeugen. Freilich erbarmte sich seiner auch eine Art Gnade, die stille Ergebenheit in ein Ende, das er mit Verve provozierte hatte. Fest und unerschütterlich war bis zuletzt nur der Vorsatz gewesen, allen üblichen Erfahrungen zu trotzen, um sie in sämtlichen Lagen zu überbieten, doch alles Übrige, alles sonst: hatte sich solcherart auch verloren. Damit freilich verlor sich der Vorsatz selbst, als herrlicher Irrtum, der eine schillernde Schneise geschlagen hatte, die wie Sternestaub kurz aufleuchtete, bevor der glitzernde Rest in ewiger Nachtschwärze versank.

Was könnte oder sollte man noch zur berüchtigten letzten Nacht bemerken, zu den vielen Theorien und Spekulationen darüber? Jede dieser Mutmaßungen freilich passt auf je eigene Weise ins Bild. Der schäbige Abgang auf einem versifften Klo im Circus so gut wie die etwas ´gemütlichere´ Variante, von Pam vielleicht nur deswegen zum Besten gegeben, weil sie ihn so ganz zum Schluss noch mal für sich allein haben konnte: daheim in der Wanne. Demnach hörte Jim vorher noch einmal alle Doors Platten durch, bevor er unwissentlich etwas Heroin schnupfte, den kleinen Nachtisch sozusagen, aber ein tödlicher im Ergebnis: hat jemand vorher noch zu viel gesoffen. Dreimal kotze Jim angeblich, bevor er lächelnd in der langen Schüssel starb. Im Interview mit Salli Stevenson vom Circus (sic!) antwortete Morrison auf die rasch zu Beginn gestellte Frage, wie er glaube sterben zu müssen:“ Ich möchte niemanden um mich haben. Ich möchte einfach ruhig abfahren, aber ich halte noch aus.“ Es stimmte. Er war allein. Nicht im Bett, wo ihn die ´kosmische Geliebte´ vermisste. Im Bad aber, gleich nebenan. Egal, wie er da hinkam. Stevenson gegenüber gab er als mögliches, ihm genehmes Sterbealter hundertzwanzig an. Womöglich entsprach das sogar halbwegs dem gefühlten anstelle des tatsächlichen Lebensalters. Manzarek will sich hingegen später daran erinnert haben, dass ihm der Freund früh anvertraute, auf gar keinen Fall allzu lange durchhalten zu können, eben: sehr viel zeitiger abzutreten.

Jim ging ganz einfach am eigenen, arg gebeutelten Körper zugrunde, dem er in zu kurzer Zeit allzu viel zugemutet hatte. Dieser ruhte dann, in Eis gepackt, in der kleinen Pariser Wohnung, bevor man ihn in einen Sarg packte, den sie in feuchter Erde versenkten. Auf dem Pere Lachaise: endlich angekommen, zum wirklich ersten Male; ad finitum.

Der aufgeklärte Verstand, den er in seiner letzten Notiz endgültig preisgab, hatte ihn ein Leben lang nie ganz verlassen, er mochte ihn noch so sehr betäuben und beschwichtigen, besänftigen oder einfach nur wortmächtig überspielen. Jetzt war es so weit. Zu Jims Abgang passte eines seiner Drehbücher, aus denen bekanntlich nichts wurde; der Held sucht und findet darin: das absolute Nichts. Im Dschungel. Der Dschungel war das Häusermeer von Paris. Er irrte dort ziemlich einsam umher, nicht einmal der Sprache jener mächtig, die dort in Mehrzahl lebten. Ob in der Wanne oder auf dem Besucherklo: fand Morrison am Ende doch noch zu sich selbst zurück – und aus dem Leben heraus. Vorher habe er sich noch, so die Geliebte, bizarr gefühlt. Ein letztes Mal auch dies also.

Die vielen, mitunter nur gering voneinander abweichenden Todestheorien bestätigen, abzüglich derer, die einen Auftragsmord unterstellen, vor allem den Vorlauf, die Vorgeschichte: das Morrison letzthin als vorzeitig gealterter Mensch verschied, weil er sich in wenigen Jahren total überfordert hatte. Sein Unvermögen, halbwegs vernünftig, noch simpler: gesund zu leben, beschleunigte den eigenen Zerfall enorm. Das machte anfangs seine Stärke aus und ruinierte schließlich die Gesundheit. In seinen letzten ein, zwei Jahren war Jim ein kranker, alter Mann. Wer mit 27 Jahren ständig Schluckauf hat, Blutklumpen erbricht und nicht mehr anständig atmen kann, im Suff wirres Zeug lallt und dauernd Stunk macht,gibt keine tragische, nur mehr eine traurige Figur ab. Solche werden am Ende meist bemitleidet, bewundert eher nicht. Man bezahlt für alles im Leben. Manche tun das früher, manche etwas später. Und es war spät, sehr spät geworden für Jim. Er glich denn auch nicht länger dem verführerischen Übermenschen, mit Parka und Zottelbart hatte er zuletzt eher was von einem alternden Clochard, deren etliche in der französischen Hauptstadt ihr karges Dasein fristeten.

Fast auf den Tag genau zwei Jahre vor ihm segnete weiland Brian Jones das Zeitliche, nicht in der Wanne sondern im heimischen Pool; ihm widmete Jim ein längeres Gedicht (Ode to LA, while thinking of Brian Jones, deceased). Mit Jones wurde bekanntlich der Club 27 eröffnet. Mit ihm starb auch schon etwas von den Illusionen, die sich manche machten, während die ersten aus dem vermeintlichen Paradies desertierten.

Jim hielt Stellung. Er konnte kaum anders. Sein Schicksal vollendete sich in Paris. Im alten Europa. Eben: im Abendland. Am Abend des eigenen Lebens bot die vielbereiste Binnenmetropole letzte Zuflucht.Morrisons leibliche Reste ruhen seither in nächster Nähe zur ´Großfamilie´ bedeutsamster Gestalten aus Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung. Balzac und Proust, Wilde und Chopin werden in diesem Zusammenhang ständig erwähnt, aber auf dem berühmten Pariser Friedhof ruhen zahllose weitere Helden nämlicher Provenienz; mehr oder weniger eigensinnige Vollstrecker freigeistiger Ideale, denen schon der Frühreife begeistert nacheiferte. Es lohnt allemal, an dieser Stelle die verblichene Vorhut abendländischer Kunstbereicherung im Einzelnen aufzulisten. Voila: Abaelard und Denon, Sarah Bernhardt und Edith Piaf, die Callas und La Fontaines, Appolinaire und Auber, Bizet und Börne, Camus und Canetti, Bouirdieu und Becaud, Champollion und Cherubini, Colette und Comte, Corot und Cuvier, Delacroix und David, Deleuze und Dukas, Erlanger und Enescu, Fourier und Faure, Kreutzer und Ingres, Lafargue und Laplace, Modigliani und Moliere, Montand und Musset, Ophüls und Pierne, Prudhomme und Poulenc, Saint Exupery und Thiers, Valles und Wols. Jim bezog ein ´Quartier´, das sich sehen lässt; die späte, nunmehr endgültige Nachbarschaft adelte den Dichter und bestätigte den Menschen, der dahinter stand. So versammeln sich im Pere Lachaiser Pantheon Ahnen, deren Manen Morrison so verzweifelt wie verwegen beschwor, als Abkömmlinge einer Epoche, deren inspirierende Nähe er, dessen Interessen bis weit in die Antike und darüber hinaus reichten, mittels geeigneter Lektüre fand. Die oft schwüle, dünne, Lebensfeindliche und doch das Leben herausfordernde Luft, die man in ihren Werken einatmet, mag Jim angezogen, gereizt und endlich gestreckt haben, bis zu nämlicher Selbstauflösung. Erst im Tod trat er, endlich erlöst, in deren Mitte ein; fand er zurück zu denen, die seine Helden waren, ihm seelenverwandt. Sie waren dem Heranwachsenden die Nächsten, und Nächste wurden sie nun also auch am Ende dieser irdischen Reise: dort auf dem berühmtesten Friedhof der Stadt wie der ganzen Nation Hier künden ihre steinernen Denkmäler stumm vom Ruhm, der immer vergänglich und vergeblich bleibt.

Keines der Gräber, die den prächtigen Friedhof zieren, wurde und wird häufiger besucht als das von Jim. Er hat diesen Rang bis zum heutigen Tage behauptet. Sein Ruhm überstrahlt den der Bruderschaft im Ganzen, als Zwielicht, dem die dunklen Schatten entsprechen, die es wirft.

A man should strive to the uttermost

For his life´s set price

Robert Browning

Abschließend empfiehlt sich eine vorsichtige, wiewohl umfassende Bilanz. Sie führt zurück zum Anfang, und an allen bisherigen Befunden vorbei bzw. durch diese hindurch. Die Fragen bleiben stets dieselben. Wer war Jim wirklich? Was verband ihn mit, was trennte ihn von seiner Zeit? Was machte das Wesen dieses Menschen aus? Wie könnte man seinen Charakter halbwegs auf den Punkt bringen – wie viele Punkte kommen hier überhaupt zusammen? Wie fügte sich dieser Mensch, von Zweifeln und Gewissheiten getrieben, in die ihn gleichsam prägenden, äußeren Zusammenhänge? Was unterschied ihn dabei von der Konvention, wo traf er ihren Nerv?Man kommt dann wiederum an den Vorbildern nicht vorbei, den Idolen dieses Idols. Daneben interessiert auch der Nachruhm: das Bild derer, die sich eines oder mehrere von ihm machten. Zeitlebens taten sie es schon; und tun es darüber hinaus. Welches Bild ergibt sich am Ende dieser Betrachtung? Es wird eines sein müssen, das im Typischen noch einmal das Persönliche, im Speziellen das Allgemeine betont.

Und in den Anläufen zahlreiche Anstöße und Anleihen. Die mit symbolischer Kraft aufgeladenen, vieldeutig schillernden oder scheu verhangenen Vorbilder, denen unser Held früh nachspürte und nacheiferte, kam eine unerhörte Strahlkraft zu: sie reicht weit über den Verlauf leidig augenscheinlicher, oberflächlicher Entwicklungen hinaus. Morrison blieb hier erstaunlich kompromisslos. Das macht, bis heute, seine Stärke aus. Sein Leben kann durchaus als heroisch bezeichnet werden: tragisch endend, und solcherart nur vollendend, was zeitlebens nie harmonisch zueinander fand.

Das traf so auch auf die Band zu. Tastend in ihren Anfängen, dann durchaus aus dem Vollen schöpfend, verlor sich zusehends in Beliebigkeit, was nur ein einziges Mal überzeugend zueinander fand. Zwischen seichtem Wohlklang und geradlinigen Blues kraftlos hin und her dümpelnd, ging die Magie verloren, auch und gerade in den Konzerten, die nicht länger hypnotisch oder freaky, nur mehr banal oder armselig gerieten. Das Projekt lebte von seinem Schöpfer. Es war Jims Wille, der tonangebend blieb; und sein Charakter obendrein. Das ist mit Händen zu greifen. Die Doors waren nie eine fröhliche Vier-Mann-Truppe, deren etliche es gab und immer geben wird. Sie erhoben Anspruch auf Ernsthaftigkeit und Seriosität; und sie verstörten, wo bislang eher Verärgerung seitens der Älteren dominierte. Mochte der chronisch beleidigte Bob Dylan mit seinem unerträglichen Gesang eine Art Vorläufer gewesen sein: er blieb ein Barde in der Tradition des niedlichen Folk. Die Doors erweiterten das Spektrum unerhört, und sie taten es ganz unabhängig von den Beatles, die ihrerseits dafür sorgten, das populäre Unterhaltungsmusik ganz anders wahrgenommen wurde, als dies bis dato stets der Fall gewesen war.

Die Doors wandten sich im Grunde kühl vom Massenpublikum ab; und trafen damit einen Nerv. Sielächelten selten, blickten stets ernst, mitunter finster, gaben sich elitär und abweisend. Das waren sie auch wirklich, denn das war Jim: von Anfang an. Nie lief er Gefahr, in sanft selige Hippie Gebärden zu verfallen, mochte seine Stimme auch sanft und betörend tönen, bat man ihn zum Gespräch. Interviews mit Popstars gerieten meist albern und oberflächlich, mit viel Klamauk und Grimasse. Dazu ließen es die Doors nie kommen. Dennoch wäre es verfehlt, sie als ´Bad Boys´ zu etikettieren, wie die Stones welche wurden, weil es zu den Auftritten und ins Kalkül passte. Wie denn weder Folk noch Rock in ihren Songs dominierten, auch kein Pop. Die Dinge lagen komplizierter und blieben im ganzen undurchsichtig, obschon die Band mit Light my fire, Hello i love you und Touch me ihre größten Einnahmen aus Plattenverkäufen verbuchte.

Dazu passt, dass keiner von ihnen Virtuose oder tüftelnder Songwriter war. Sie kamen im Grunde aus einer ganz anderen Ecke, obschon alle drei ihre Instrumente immerhin so weit beherrschten, dass sie – im Unterschied zu den Byrds – auch sämtliche ihrer Platten selbst einspielen konnten. Als verkopfte Intellektuelle ähnelten sie eher den Velvet Underground oder Can, deren Mitstreiter gleichsam allem oberflächlichen Gehabe ledig und von Düsternis umwittert blieben. Sie gaben ihre Einstände im konventionellen Rahmen, kamen von der Klassik oder vom Jazz, vom Blues oder von nirgends her. Eingängig zunächst, gaben diese Bands ihr Bestes in der ausufernden Improvisation, bevor ihnen dann wieder die Ideen ausgingen: typischer Dreiklang einer Einwicklung, die sich am Überkommenen reibt, seine Fesseln sprengt und am Ende doch wieder den einen oder anderen Knoten schürt.

Doch zurück zu Morrison, dessen Entwicklung einen Verlauf zeitigte, den wir in Form einer Triage dargestellt haben. Kurioserweise deuten sich hier sogar die klassischen Typen der von Ernst Kretschmer beschriebenen Konstitutionen an, deren letzte, in seinem Fall, wieder an den Anfang führte. Vom Pygniker mauserte Jim sich zum Athletiker, dessen Gestalt sich mit leptosomen Anteilen mischte bzw. überschnitt, bevor dieselbe wieder deutlich Fett ansetzte.

Rich vast and sullen, like a slow monster, come to fat and die

Das aufgrund zahlreicher Missverständnisse gern als vereinfacht abgetane, tatsächlich aber ungemein fruchtbare Modell des großen deutschen ´Denker-Psychiaters´ deutet ein Netz korrespondierender und einander ausschließender Bestandteile an, je nach Typus; und findet gerade in der optischen Verrechnung unseres Helden einen recht überzeugenden, in sich geordneten Verlauf.

In Kindheit und früher Jugend eher gedrungen, behäbig, still und weich, kam vom Sport der entscheidende, das Äußere jäh ´umkrempelnde´ Impuls. Jim begann, viel zu schwimmen und trat so – vorrübergehend – gemäßigt athletisch in Erscheinung. Da er damals kaum noch ass, magerte er auch merklich ab, wie denn der Drogenkonsum die von Kretschmer betonte geistige Empfindlichkeit eines Asthenikers enorm steigert. Am Ende war Morrison, stark dem Alkohol verfallen, wieder merklich dicker geworden. Trotz aller Verzweiflung, lächelte der Fettleibige nun auch wieder häufiger, wirkte er immer öfter heiter, ja gemütlich auf Außenstehende.

Nicht einzig konstitutionell, auch in der ideal-typischen Erscheinung vollzog sich eine bezeichnende, recht eigentlich kuriose Entwicklung. Bekanntlich zählte vor allem Nietzsches ´Geburt der Tragödie´ zu Jims Lieblingsbüchern. Die in dem Werk umrissene Polarität des Apollinischen und Dionysischen beeinflusste ihn tief, wie wir sahen. Der entsprechende Gegensatz verfestigte sich im Laufe weniger Jahre vor allem äußerlich entlang gewisser Besonderheiten, die man als optische Kernschmelze bezeichnen könnte. Die dionysische Phase seines Lebens, gipfelnd im Jahr des Durchbruchs, offenbarte den Schönling Brodskys, dessen Erscheinung dem apollinischen Prinzip einer in sich harmonischen, formvollendeten Gestalt auf hinreißende Art und Weise entsprach. Die Proportionen stimmten, der schlanke Wuchs wirkte erhaben, edel und rein. Zeitgleich mauserte sich Jim zum Bühnentier, warf Acid in Mengen ein und ließ sich immer häufiger gehen. Exaltation und Exzess. Nach Miami erlahmte der Überschwang. Dionysos hatte sich erschöpft und aufgebraucht. Die Ekstatik, einmal auf die Spitze getrieben, schwand im Dämmer einer auf´s Äußerste gereizten, solcherart gemeuchelten Jugend.

Morrison war nicht länger schön oder gefährlich. Es entstand eine Lücke, die er nur zu gern mit bildungsbürgerlichen Anteilen ausgefüllt hätte. Vergeblich bemühte er sich nun um die Beschaulichkeit einer stillen, ernsthaften Künstler, – und Gelehrtenexistenz. Rein äußerlich aber schien er zu verwildern und verkrauten, wie denn die barocke Fülle seines Leibes im Kontrast zur früheren Erscheinung seltsam maßlos, beinahe vulgär wirkte. Mit seiner fettigen, verfitzten Mähne, die ein teigiges, aufgequollenes Gesicht rahmte, gab er ein abstoßendes Bild ab. Mit Bart sah er nun jünger aus als ohne. Auf fast schon gemeine Art und Weise ähnelte er einem Satyr, dem die einstigen Ausschweifungen arg zugesetzt hatten. Gerade in Miami trieb dieser dieselben noch einmal wutschnaubend auf die Spitze.

Die alten Trugbilder hatten sich da schon verflüchtigt, der Überschwang aufgebraucht. Vorher freilich begeisterten Jim, wie wir sahen, gewisse Mythen und Gebräuche, die noch innerhalb jener Dekade, deren Sturmwehen auch ihn ergriffen, eine recht eigene Wirkungsmacht behaupteten. Wir haben einige bereits erwähnt. Jenseits der schon abgestandenen und doch zu neuem Leben entfachten politischen Utopien entwickelten und entfalteten sich zumeist solche, die mehrheitlich der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts entstammten. Noch der nach 45 aufhorchende Existentialismus war, so gesehen, eine Art Spätgeburt, deren ´Gesichte´ schon im träumerischen Wesen Sören Kierkegaards aufblühten, im Geiste Nietzsches das Verhängnis feierten und bis an den Rand des Nihilismus drängten, der damit doch überwunden werden sollte. Wie denn die Entdeckung des Unbewußten, gipfelnd in Freud, schon von den deutschen Romantikern träumerisch vorweggenommen wurde. Die Idee der Volkseele, vom genialen Herder ´entdeckt´, schöpfte ihrerseits aus Überlieferungen, die bis in die Antike zurückreichen.

Das im Amerika der Nachkriegszeit enorm geltungsmächtige und bereits in lauter Schule zerfallene, ja zur Konvention herunter gekommene ´Pseudoevangelium´ der Psychoanalyse gedieh auf einem reich bestellten geistigen Nährboden. Sie begann als literarisches Ereignis, wie denn Dichtung und Wahrheit, Theorie und Offenbarung, Anspruch und Wirklichkeit einander im Werk Freuds innig berührten; mochte dieser, als ´Guru´, auch noch so sehr den streng wissenschaftlichen Charakter seiner Lehre betonen. Es kam dann rasch in Mode, auf der Couch Platz zu nehmen; vor allem in begüterten Kreisen. Was andererseits seltsam anmutet, wenn man bedenkt, dass die als anrüchig empfundenen Freudschen Allgemeinplätze dem Establishment ein Ärgernis blieben, wie Darwin eines war und blieb im Süden der Vereinigten Staaten. Das begrifflich ausjustierte Heilsgeschehen verfing, wie denn der Metaphernwust des Wiener Seelendoktors als Versprechen auch im Innern Morrisons jubilierte. Die Hochkonjunkturen der Lehre fallen vor allem in die Zeit seiner frühen Jugend. Der Ansatz blieb verlockend. Mittels Psychoanalyse wird der Einzelne ausgeforscht, und in der Übertragung auf die Masse kommt dem begleitenden Instrumentarium eine seltsam linkische, boshafte Kraft zu, mit der Jim spielte, indem er zunächst an Einzelnen testete, was in den Konzerten dann auf fatale Art und Weise auf die tumbe Masse zielte. Vermutlich blieben die klassischen Freudschen Anleihen das unentbehrliche, nie wirklich überwundene Anschauungsmaterial, mittels dessen Jim seine Vorstellungen von Freiheit sublimierte, indem er die Möglichkeiten bedenkenlos auf sich und andere übertrug. Allenfalls am Rande mag ihm aufgefallen sein, dass er den ursprünglichen Ansatz in sein Gegenteil verkehrte. Freud lag an der Bewusstmachung des Unbewussten wider die Neurose; Jim ´entmachtete´ seinerseits das Bewusstsein, um wieder zum Unbewussten und Unheimlichen vorzustoßen. Gab Freud sich radikal aufklärerisch und rational, wiewohl er dem Irrationalen selbst auf die Schliche zu kommen schien, empfanden seine Jüngern das ganze geistige Konstrukt schon bald als eine Art Ersatzreligion, mit den entsprechenden Beschwörungen, Anhörungen und Anbetungen.

Aus Neugier, wie er sich einzureden verstand, tauchte Morrison in die Tiefen des von Freud kartographierten en Unter-Bewussten ein. Hier entfernte er sich vom Schöpfer und gelangte über die Mystizismen Carl Gustav Jungs in die Ideenwelt der Schamanen, deren Räusche alles in Bilder und Symbole auflösten. Freilich blieben diese aufgehoben in der Ideenwelt des Überkommenen, eingebunden also in uralte, stammesgeschichtlich fundierte Zusammenhänge, die ein nur schwer zu entwirrendes, ungemein zwingendes und bindendes System zugleich voraus setzen. Jim machte seine Erfahrungen eher spontan, indem er wahllos zugriff und alles dem Zufall überließ, wie er ein Anhänger des ´automatischen Schreibens´ blieb, mit dem er von Anfang an scheiterte. Er reizte die Bestie, eine tausendköpfige Hydra; sie lebt in jedem von uns unterirdisch, unbewusst und unverstanden, und dies nicht ohne Grund: ihr Walten gleicht einem rauschenden, unablässig drängenden und dann wieder das eigene Ungestüm hemmenden Strom, der wie ein Generator arbeitet und die Flut an Bildern und Visionen auf Träume auslagert. Jim wollte sie hier und jetzt, er forderte den inneren Dämon sehr bewusst heraus, und sprengte so sämtliche Dämme, die ihn bändigten. Wenn zu Beginn dieser Betrachtung bemerkt worden ist, das Morrison ein reiches Erbe trug und in sich trächtigte, dann tat er das erst recht, indem er die begleitenden ´Personalien´, soll heißen: ein verwirrende Vielzahl an seelischen und geistigen Potenzen, die in undurchschaubarer Verrechnung mal mehr, mal weniger, meist gar nicht wirkungsmächtig werden, herausforderte und förmlich erbrach. Die Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit zerbrach so ganz unfehlbar und verlor sich Augenblicken tiefster Hilflosigkeit, in denen er mal aggressiv, dann wieder wie verloren wirkte; traurig oder großspurig, ernst oder total ausgeflippt. Das Durcheinander an Identitäten, die sich bei der Gelegenheit gegenseitig befeuerten und gleichzeitig aufhoben, führte nicht zu Freiheit. Denn der Führer selbst verlor sich dabei. Jim kam es auf den Versuch an. Nicht zu wissen, wie die Sache ausging: machte nicht den geringsten Reiz aus.

Way back deep into the brain…

Der französische Philosoph Edgar Morin betrachtete die revolutionäre Methode Freuds als einen Versuch, herrschende positivistische und mechanistisch-materialistische Ideologien zu überwinden, um Freiheit zu erringen. Dies freilich bedurfte einer Phase der Unfreiheit, die in der fleißigen, ja unermüdlichen Vorarbeit der Älteren ihren Ausdruck fand: denen zugute, die nach ihnen kamen. Jim hat das selbst einmal in einem Interview klar gestellt. Das System Freuds hat sich inzwischen, dank zahlloser Exegeten, von den eigenen Dogmen befreit, aber herauskam doch nur ein eklektisches Ungeheuer: umständlich aufgezäumt und abgerichtet, nicht minder einseitig im Zugriff. Notwendig musste bei dieser Gelegenheit herauskommen, wie sehr der Schöpfer selbst allen guten und schlechten Glaubenssätzen seiner Zeit verpflichtet blieb, befangen in ihren Psalmen und Richtsprüchen, wie es sich für einen echten Religionsstifter gehört. Was doch letztlich auch auf Jim zutraf, allen Ausbruchsversuchen zum Trotz, die bald immer öfter in der Haftzelle oder auf der Intensivstation endeten, etwa nach einem misslungen Versuch, ein Konzert der Jefferson Airplane zu stürmen. Dionysos im Taumel, als ein aus den Untiefen des Unbewussten von der Bühne stolpernder, ganz armer Mensch. Ein Weltveränderer auch er, befangen in der Hypertrophie solipstistischer Anmaßung, die im Chaos endet: so kläglich wie vergebens.

Deutlich wird an dieser Stelle mehr denn je: erst in der wechselseitigen Durchdringung und Abstoßung, in Abwehr und Aufnahme, eben: in der gegenseitigen Befruchtung werden Mensch und Zeit, Mythos und Gestalt etwas erkenntlicher. Die erworbene, spezifisch gesellschaftlich durchmusterte Montur wird man eben nie ganz los, auch und gerade, wenn man so hinreißend dagegen zu rebellieren verstand wie Jim Morrison.

Er lag damit sozusagen im Trend. Auch der fügte sich ins Freudsche Phantasma. Der Wiener Nervenarzt entwickelte in ´Totem und Tabu´eine recht eigenwillige Theorie vom Vatermord. Die männlichen Nachfahren jener Horde von Brüdern, strotzend vor Kraft und Empörung, die hier als ´Täter´ aufgespürt wurden, tauchten im Amerika der ausgehenden Sechziger Jahre als Söhne der gehobenen Mittelschicht noch einmal auf, nicht minder ungestüm und unversöhnlich in ihrem Begehren. Ihr Protest entzündete sich am Überkommen und zielte wesentlich auf die eigenen, in die Jahre gekommenen Väter, die sie für einen abgenutzten, allzu eng verstandenen Patriotismus verantwortlich machten, der im verhassten Vietnamkrieg seinen abstoßendsten Ausdruck gefunden hatte. Der Selbstbehauptungswille einer Vielzahl kritischer junger Männer, in deren Gefolge auch zunehmend Frauen mittaten, entzündete sich tatsächlich an den ´weißen alten Männern´, die ihren eigenen Ambitionen lästig im Wege standen. Für Freud war ein solches Aufbegehren identisch mit dem Beginn jeder Kultur, die auf der überlebten fußte. Jim rebellierte seinerseits gegen einen dieser Männer, den eigenen Vater, der fast als Musterbeispiel gelten kann: traditionsgebunden, sittsam und beharrlich in den eigenen Ansichten, die hauptsächlich der Überlieferung entsprangen. Tatsächlich wollte die nachfolgende Generation den überkommenen Wertekanon weniger zerstören, mehr übertreffen; kraft eigener Männlichkeit sozusagen, die freilich gewisser femininer Anreize nicht entbehrte. Jim war ein Anführer jener mannhaft auftrumpfenden Horde; er lief, recht einsam, vorneweg.

Father! Yes, son? I want to kill you…

Überhaupt wollte er die Vorväter, die Ahnen seiner Vorsätze, auf ähnliche Weise übertrumpfen, indem er sie kraft seines Feuers überstrahlte: besagtem Stern gleich, der jäh erscheint, hellauf lodert und wieder heillos verglüht. Der Autor Ernst Jünger, nicht minder vom Tod fasziniert und diesen, gleich Jim, immer wieder herausfordern, schrieb anlässlich des Todes seines jüngsten Sohnes in das Tagebuch:“ Der gute Junge. Von Kind auf war es sein Bestreben, es dem Vater nachzutun. Nun hat er es gleich beim ersten Mal besser gemacht, ging so unendlich über ihn hinaus.“ Und ferner, wie zur Bestätigung, zitierte er den allzu jung Gestorbenen abschließend mit folgenden Worten:“ Der kommt am weitesten, der nicht weiß wohin er geht.“ Womit wir im Grunde wieder den Kern der romantischen Lehre berühren, wie denn diese kulturgeschichtliche Bewegung, in sich widersprüchlich und verworren, als Antithese der Vernunft zu eigenen, sehr gefährlichen Synthesen hellsichtiger Klarheit verführte. Die Verwandtschaft ist zu offenkundig, als das man sie leugnen könnte. Da ist bereits alles von dem, was Jim antrieb, trefflich formuliert und zusammengefasst: die Aufhebung des eigenen Ich in der Unendlichkeit, die Jim noch einmal in seinen wirklich letzten zu Papier gebrachten Worten in seltsam bescheidener Manier, elegisch fast beschwor; die Todessehnsucht, als eines durchgehenden Motivs aller Romantik, wie denn ihr Hang zum Ahndungsvollen, Symbolbeladenen noch in den späten, allzu patriotischen und völkischen Verirrungen beharrlich mitschwingt. Freilich: auch Jim war und blieb ja, in jeder Phase seines Experiments: Patriot. Umwittert von der Verzweiflung des Existentialismus, der ihm auch zeitlich sehr nahe stand, durchmaß Morrison die Möglichkeiten der schon von Nietzsche verkündeten nihilistischen Verzückung; auf recht rüde Art und Weise. Sein ganzes auf die Spitze getriebenes Harakiri rührt daher, überhaupt die allzu närrisch anmutenden Spielereien, denen die Logik des Absurden entsprach, von der unser Held glaubte, dass einzig sie zur Freiheit führe. Die Stadt des poetischen Existentialismus wurde dann, passend, zur letzten Heimstatt des Verfemten, Zuflucht und Verhängnis, schwüler Ausklang eines überstrapazierten Lebens, das nur zur Ruhe kommen konnte, indem es sich bis zum Exitus erschöpfte.

Wollte man diesen Einzelgänger an den ihm Artverwandten Heroen der überlieferten Kunst, – und Geistesgeschichte messen, findet man, denke ich, reichlich Auswahl. Man störe sich nicht an derlei Divergenzen im Oberflächlichen, wo in Wahrheit tiefe Wurzeln leidig Licht ins Dunkel tragen.

Der Historiker Golo Mann hat in einem Essay über Heinrich von Kleist dessen Menschsein zu ergründen versucht. Er stieß dabei auf gewisse Charakteristika, deren Eigentümlichkeiten sich mit denen decken, die auch unseren Helden in den Rang eines großartig gescheiterten Ausnahmemenschen zu erheben scheinen, obschon der ständig herbeigesehnte, und endlich ausgeführte Selbstmord des Einen zum Freitod des Andern, der auf Raten vollzogen wurde, merklich divergiert. Von einer unbändigen Todessehnsucht getrieben, überworfen mit der Welt, die ihn nicht wirklich verstand, verzweifelte der geniale Dramatiker am Widersinn einer durch die Lehre Kants erschütterten Wirklichkeit, die Morrison umso besessener herausforderte. Kleists Wesen wurzelte im Faustischen; er fühlte und fasste alles absolut. Hochbegabt und tief verkannt, konnte sich dieser unselig zerrissene Mensch an nichts wirklich binden:“ An keine Wissenschaft, so wie an kein Amt, keinen Ort, keine Heimat, im letzten Ernst kaum an einen Menschen, nur, unter welchen Leiden, Zurücknahmen, Fluchtversuchen, an sein Werk.“ Und weiter:“ Es sind Reisen fort von den Menschen, Flucht vor den Menschen, Flucht vor sich selbst, Suche nach dem Glück, das, wie für Schuberts Wanderer, immer dort ist, wo er nicht ist.“

Wandering, wandering…in hopeless night

“Der Menschträgt trägt Adler im Haupte, und steckt mit beiden Füßen in dem Kote.“ So sah es der nicht minder verfemte Grabbe, dessen Leben früh im Suff endete. Der heute vergessene Nikolaus Lenau, spätromantischer Dichter aus hohem Haus, seinerzeit gefeiert und zeitweilig in die Nähe Goethes gestellt, verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in der Irrenanstalt, wo er schließlich achtundvierzigjährig verschied. Er litt nicht minder an den Niederungen des Seins, wie denn in seinen stimmungsvollen Versen Tod und Verderben, Düsternis und Ekel das nicht enden wollende Thema bilden. Auch Lenau war ein nervös Getriebener, der es nirgends lange aushielt: stets unterwegs, stets auf dem Sprung. Die Postkutsche war sein eigentliches Zuhause. Er hielt es, gleich den andern, auch in keinem Amt aus; für eine praktisch tätige Existenz fehlten ihm Phlegma und Geduld, gewöhnliches Interesse und gewöhnliche Veranlagung. Mit lästigen Verpflichtungen und banalen Alltäglichkeiten hatte auch Jim wenig zu schaffen, wie denn die ermüdenden Routine des Geschäfts den ´Prinz von Dänemark´ (als welchen sich Jim einem seiner Gedichte selbst ironisch bezeichnete) selbst schaffte; fertig machte. Den Rest erledigte er selbst.

Drugs are a bet with your mind

Dabei eben verlor er am Ende auch sich selbst. Und jede Scham. Wovon vorzüglich eine Anekdote des Electra Mitarbeiters Steve Harris zeugt. Ihm sagte Jim, direkt und ohne jede Verlegenheit, er könne einen Spiegel einwerfen ohne das geringste schlechte Gewissen zu haben, das eben unterscheide die beiden voneinander. So einer ist im Grunde schon dabei, sein Leben wegzuwerfen. Es zählt dann nicht mehr allzu viel. Man hat auf nichts und niemanden mehr Rücksicht zu nehmen. Mit seiner Sauferei bremste Morrison den Todestrieb aus und hielt ihn gleichzeitig bei Laune, sozusagen: auf Kurs. Das Bild oder Gleichnis vom Kometen, der jäh erscheint und wieder verschwindet, der auflodert und verblasst, passt zum eigenen Mythos, wiewohl besagter Klumpen kaum zischend verglühte, mehr an Tempo einbüßte und zu taumeln begann, bevor er träge abfiel. In besagter Hetzjagd nach dem Leben verrannte und verzettelte sich Jim. Darauf hatte er es angelegt. Und er kannte den Preis, der dafür zu zahlen war: ein früher Tod. Tod und Freiheit hingen miteinander zusammen, das eine war nicht ohne das andere zu haben – ein schnelles Leben und ein frühes Ende: sind ein und dasselbe. Über den Tod hat er viel nachgedacht, nahezu besessen. Eros und Tod, als Einheit in jeder Zweiheit, die es zu überwinden galt: daran hat er wirklich geglaubt. Das im Uferlosen gründende Prinzip einer Freiheit, die nur sich selbst gelten lässt bleibt in sich paradox und verführerisch und birgt stets das Böse, den Abgrund – das Nichts.

Forgive me father, for i know what i do. I want to hear the last poem of the last poet

Jim wusste um die Gefahren, wie denn die klassischen Vorstellungen von sündhafter Begierde und letztgültiger Feme eine Tragödie eröffneten, die er sich und anderen vorspielte. In seinen Texten fand spielerisch Verwendung, was diesem Drama irgendwie entsprechen konnte. Meinte Freiheit auch Erlösung und Verklärung, Verzückung und Befreiung, so neigte Jim doch mehr dem anderen Extrem zu, als einer Art reinigenden, das Sein noch einmal unerträglich steigernden, alle Qualen und Begierden entfachenden und reinigenden Vorhölle. Gewiss gab er sich, gründlich alle Erlebniswelten, – und Weisen erkundend, auch den Genüssen profaner, ja banaler Ergebung hin, wovon die beschaulichen, mitunter fast täppisch anmutenden Balladen und Liebeslieder Zeugnis ablegen, aber stärker und unerbittlicher zeigte er sich in der Anbetung des Abgründigen, die das Barbarische feiert, den Schmerz schürt und bis zur Neige auskostet, was den Sinnen gerade noch zuträglich bleibt: solcherart Ruch und Sünde beschwörend, ohne Aussicht auf Vergebung.

You cannot petition the lord with prayer!

„Das vollkommenste Wesen, dass wir uns vorstellen können,“ erklärte der ungekrönte Barde des Schreckens, Marquis de Sade,“ ist jenes, das sich am weitesten von unseren Konventionen entfernt und sie am verächtlichsten findet.“ Von diesem Lüstling allzu abseitiger Lebensgenüsse führt, wie der Autor Rüdiger Safranski in seiner Studie über die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Bösen in der abendländischen Kulturgeschichte bemerkt, eine direkte Linie zu den literarisch bewegten, dekadent-verwegenen, unerschrocken vorpreschenden Erlebnis-Dichtern, die als Gralshüter des Grauens allerlei schräge Vögel in Folge inspirierten. Von Baudelaire über Poe bis zu Rimbaud: reicht die Familie. Der von allen Skrupeln gereinigte Ästhetizismus, den sie der Kunst zumuteten, hinterließ tiefe, schwer messbare Spuren.

Spuren wollte auch Morrison legen. Als Dichter. Nicht als Popstar. Er wurde aber einer; im passenden Moment. Unter seiner Ägide konnte der Beat aus seinen banalen Anfängen befreit und neu erfunden werden. Drei mal zwei Jahre: hielt Jim die Fackel hoch. So lange hielt er durch. Es brauchte deren zwei, bis der Erfolg sich endlich einstellte. Noch einmal so lange dauerte es, bis daraus echter Ruhm erwuchs, der in den letzten beiden Jahren langsam verblasste, auch wenn die Band mit ihren Plattenumsätzen unverändert auf Platz Eins landete. Nach der letzte verzog sich Jim. Die Luft war raus. Er starb und wurde zur Legende. Der Olymp war ihm sicher.

Wenige starteten so unerschrocken ins Ungewisse, wie er es tat. Der Versuch zählte, alle bloße Berechnung schmälerte nur den Wert des Experiments. Auf den Verdacht hin leben, wusste Nietzsche riet, blieb ein Spiel jenseits von Gut und Böse. Wer das Leben solcherart ernst nimmt und als Überwältigung der Sinne einerseits, als Entäußerung derselben bis zum Limit andererseits praktiziert, geht einen Pakt mit dem Teufel ein, der immer auch im eigenen Innern lockt.

I can forgive my injuries in the name of Wisdom Luxury Romance

Jim verletzte sich tödlich am Leben. Er nahm die Gefahr nicht einzig in Kauf, er forderte sie reglerecht heraus. Hätte er seinen Drogenkonsum nur etwas anders, sagen wir: sorgsamer justiert, es wäre ihm besser ergangen. Heute wissen wir, dass Stones Ikone Keith Richards nur überlebte, weil das Heroin, das er bezog, stets von bester Qualität gewesen ist. Er nahm das Zeug nicht um Harakiri zu verüben, es half ihm vielmehr, im selbstgesteckten Rahmen über die Runden und durch den Tag zu kommen. Derlei ´bescheiden´ nahm sich Jims Ansatz zu keinem Zeitpunkt aus. Wäre er angetreten als reiner ´Erlebnis-Tourist´, dann hätte die Odyssee, ob farbenfroh oder dunkeldüster, eine interessante Sightseeing Tour ergeben. Er aber wollte sein ganzes Leben damit verändern, auf den Kopf und auf die Probe stellen – er stellte sozusagen die eigene Machtfrage.

I´m not singing to an imaginary girl, i´m talking to you – my own self

Am Ende bekam er nicht mehr auf die Reihe oder nur geordnet, was die angestammte Ordnung ohnehin nicht ersetzen kann. Was dann noch von einem übrig bleibt, wiegt wenig. Immer geht auf Kosten echter Substanz, was diese anfangs steigern mag. Mit dem chemischen Zugriff verändert man wohl auch einen Teil jener Programmierung, die – Vergleich zweites Kapitel – einen nicht unwesentlichen Teil deiner selbst ausmacht. Auch zur banalen Wirklichkeit selbst, die er gleichzeitig verändern wollte, stellte sich Jim in Opposition, statt in Beziehung. Er verzettelte sich also und setzte so die eigene Identität aufs Spiel – und endlich schachmatt. Der im Bewusstseinserweiterte Raum kann schließlich so weit reichen, dass man sich darin verläuft oder verirrt. Drogen blieben eben eine Wette mit dem eigenen Kopf, und die konnte er nur verlieren.

Lost in a roman, wilderness of pain, and all the children are insane

Zum Tod von Jim Morrison vor 50 Jahren – Letzter Teil

Das er als Mensch scheiterte passt schon – zum Künstler. Aber auch mit der Kunst, um die es ihm bestellt blieb – der reinen Dichtung – ist er durchgefallen. Kein Hahn kräht nach den Versen, losgelöst von der Musik, die seinen Worten half, ein Publikum zu finden – ein Massenpublikum, das doch mehr auf ihn, nicht auf sein Werk fixiert blieb. Dichtung und Film für sich: Fehlanzeige. Nur dank musikalischer Vermittlung, kraft seiner eigenen, in übertrieben theatralischen Szenen eingebrachten Erscheinung, fand beides glücklich zueinander.

Was also bleibt, was dauert fort? Eben: der Mythos. Sein Bild, als Ikone und Konterfei, bedarf der Worte nur als Stiche; kaum mehr. Ohne die seinerzeit frisch aufblühende Popkultur, der schnell seine ganze Verachtung galt, ohne das schnöde, ihm gleichgültige Geschäft und die immer aufdringlicher sich weitenden, öffentlichen Räume, deren Rampenlichter ihn eine Weile anzogen, die er dann aber, angeschlagen, zusehends mied: wäre ihm keinerlei Geltung beschieden gewesen. Er wäre also, so steht zu fürchten, wie viele Hochbegabte, schon in lauter Ansätzen gescheitert – er ist es dann auch zu Genüge; im weiteren Verlauf.

Das musste vielleicht so kommen. Er stellte sein Leben willentlich einer Art Selbstversuch zur Verfügung und versäumt kaum, damit auf eigene Weise zu prunken; stolz und übermütig, wie der Offizierssohn nun einmal war und blieb. Auf eine simple Formel gebracht, könnte man sagen, dass Jim die extrem abseitigen Erfahrungen suchte, um schreiben zu können, aber im Grunde ging es ihm wesentlich um die Grenzerweiterung selbst. Mehr als sein zerklüftetes Werk besticht das Beispiel, das er gab. Das resultierende Gesamtkunstwerk ist im Ergebnis die Ausgeburt eines tolldreisten Unterfangens. Der Mythos wurde und wird von einer forschen Nachwelt auf allerlei Allgemeinplätze herunter gekocht, die ihrerseits auf spitzer Sparflammen gar gehalten werden.

Morrison tat, was er tun musste; für uns alle, wie Robby Krieger fand. Äußerte sich der scheue Gitarrist derart, um so dem Drama eine versöhnliche Note abgewinnen zu können? „Someone´s got to do it,“ meinte Sugarman lapidar,“ for us chickens left.“ Ob es sich mit Jim wirklich so verhielt? Den bloß Vernünftigen oder Vorsichtigen, den Normalos oder meinetwegen der ´Herde´: wird einer wie Morrison immer suspekt bleiben. Ihnen allen hat er im Grunde, jenseits sattsam bekannter, sensationsgeiler Klischees kaum etwas zu sagen oder zu bedeuten. Das mag blasiert klingen und ist es auch. Verstanden hat man wenig, begnügt man sich mit der Handelsüblichen Erscheinung und ihren griffigen Verrechnungen. Massenkompatibel war Jim nur wiederwillig, und er wird es, allen Verkaufszahlen zum Trotz, die sich mit seinem Konterfei erzielen lassen, als Legende immer weniger sein oder werden können. Bis heute verehren ihn hauptsächlich Intellektuelle und schräge Vögel, deren etliche freilich ihrerseits rechtzeitig genug abtrünnig werden. Und sie tun gut daran, Jim im Letzten, im Äußersten, im entscheidenden Moment nichtzu folgen. Sie alle lieben eben auch weiterhin ´die Helden, die an unserer statt leben´ (O-Ton Morrison). Man vergleiche die bis zum abwinken auf T-Shirts und nutzlosem Nippes herumgereichte Ikone Che Guevaras mit der, die einst Joel Brodsky schuf: billig zu haben, teuer verraten. Auch der romantisch veranlagte Revolutionär forderte niemanden dazu auf, es ihm gleich zu tun. Es waren auch, mit jedem neuen Streifzug, immer weniger. Einsamer, nein: allein gelassener als dieser konnte man am Ende gar nicht mehr sein, verraten und verkauft, den Henkern heillos ausgeliefert, weshalb auch jeden halbwegs anständigen Menschen anwidern muss, dass heute jedermann die Ikone zu Markte trägt.

Morrison lässt sich, grob oder im Feinen, einer sehr kleinen, recht ausgewählten Familie zuordnen: einer Art übermütigem Hochadel, der noch in den abstoßenden Aspekten fragwürdiger Zugehörigkeit irgendwie gefällt und zur Phantasie anregt. Von denen, die in etwa zeitgleich mit ihm aufbrachen um den Göttern das Feuer zu stehlen, gerieten nicht alle ins Fahrwasser moderner Unterhaltungsmusik. Nehmen wir den Terroristen Andreas Baader, auch er ein 43er, der Jim in vielerlei Beziehung ähnelte und den die Umständen doch in eine ganz andere Richtung trieben, die schließlich im toten Trakt von Stammheim endete. Von den Gewohnheiten und Verhaltensausfälligkeiten bis hin zum äußeren Erscheinungsbild deckt sich manches, stellt man diese beiden einander gegenüber; und es lohnt abermals, auch hier anhand zahlreicher Belege das Fatum zu betonen; nicht einzig im Detail (das besagte wenig), sondern im Zusammenhang selbst und seine Folgen. Dann bekommt man auch eine Ahnung davon, wie sehr sich diese Ausnahmemenschen gerade in der Tiefe treffen, statt in den schwindelnden Höhen selbst, in die sich der Genius ´verfliegt´, bevor er endlich abstürzt. Aus ganz unterschiedlichem Holz geschnitzt, wurzelt der Stamm doch in nämlicher Erde.

Bereits der heranwachsende Baader fiel durch provozierendes, andere bewusst schockierendes Verhalten auf, entlang einer Launenhaftigkeit, die zwischen Lethargie und Aggressivität hin und her pendelte. Selbstbezogen bis zur Egomanie, veranlasste die begleitende Exzentrik einen seiner früheren Lehrer dazu festzustellen:“ Bei ihm gab es nur zwei Möglichkeiten – entweder man liebte oder man hasste ihn.“ Er habe, so beteuerte die Mutter, alles immer bis zur letzten Konsequenz durchgeführt. Eine große Bücherkiste war alles, was in den Wirren des Krieges von der stattlichen Bibliothek des im Osten verschollenen Vaters übrig blieb, und der junge Baader bediente sich nach Lust und Laune aus der Truhe. Mit dreizehn vertiefte er sich bereits in Joseph Bernharts ´Mystik des Mittelalters von ihren antiken Ursprüngen bis zur Renaissance´, bald darauf kam Nietzsche (sic) an die Reihe.

Seine Tiraden, mit denen er sich selbst und andere testete, standen denen Morrisons in nichts nach. Gleich diesem ist er auch dauernd in Prügeleien verwickelt gewesen. Einmal baumelte er volltrunken an einem Kronleuchter, um gleichzeitig einem Redakteur mitten ins Gesicht zu treten. Vieles von dem, was er selbst erzählte war frei erfunden, und es waren die tollsten Geschichten, denen er dann mit viel Angabe Nachdruck verlieh. Das tat auch Jim, wenn er zu spät zur Schule kam.

Baaders im Grunde zarte, weiche Gestalt wirkte vor allem nachts betörend und befeuernd auf andere. Tagsüber blieb er durchweg verschlossen, übellaunig – wortkarg. Auf den Fotos, die aus dieser Zeit kursieren, sticht ein verlorener, ´abtropfender´ Blick ins Auge. Die notorische Aufmüpfigkeit des ziellos in den Tag Lebenden Andreas Baader machte es jedem schwer, mit ihm auszukommen. Entsprechend früh geriet er in Konflikt mit dem Gesetz. So fuhr er ohne Führerschein Autos zu Schrott. Nach einem LSD-Trip blieb er, den Aussagen seiner damaligen Geliebten Ello Michel zufolge, dauerhaft weggetreten. In sämtlichen Biografien wird die hohe Intelligenz betont. Auch seine Begabung zu schreiben, die etwa in einem langen Brief an Ello, den er im Gefängnis verfasste, überzeugend zum Ausdruck kommt. Doch dominierte, im Ganzen, Baaders Ziellosigkeit, die ihn lähmte und eigentlich erst im Untergrund befreite. Auch er also ein großes Talent; dazu ein Wille, der nicht gebrochen werden kann. Anfangs hauptsächlich darum bemüht, eitle Manierismen zu pflegen um Aufmerksamkeit zu erlangen, wollte er als Revolutionär ernst genommen werden, aber in den Augen der Öffentlichkeit blieb er der Bürgerschreck – einer, der mit Dynamit spielt. Er war selbst wie Dynamit, und sein größter Gegenspieler, der damalige BKA Präsident Horst Herold, befand bewundernd, dass Baader ´ein Vulkan´ gewesen sein.Das äußere Erscheinungsbild dieses glutvollen Empörers faszinierte Männer und Frauen zugleich. Gern posierte er mit nacktem Oberkörper oder in sündhaft teuren Seidenhemden. Er legte sich passend laszive, vor allem betont coole Posen zu. Gleich Morrison hing er früh in der Kunst Szene herum, freilich ohne nennenswerte eigene Produktion. Vor allem zeigte sich früh sein Vermögen, andere zu manipulieren, also: für die eigenen Zwecke einzuspannen.

Die aufkommende Gegenkultur war dem Einzelgänger Anlass zu hemmungslosem Hedonismus, und mit den zeitgleich sehr viel spröder und knöchriger auftretenden Studenten hatte er lange gar nichts am Hut, bis er schließlich, noch immer ohne Plan, bei der berüchtigten, tolldreiste Happenings feiernden Kommune 1 mitmachte. Der Begriff einer recht vieldeutigen Freiheit, die hier und andernorts erprobt und gefordert wurde, trieb Baader so gut wie Morrison um. Der eine vollzog sie über exzessiven Drogenmissbrauch, der andere mit der Knarre im Anschlag. Alles oder nichts, lautete die Devise, und daneben war alles Übrige fast gleichgültig. Weder beschäftigte sich Morrison jenseits ihm aufgebürdeter Klavierstunden (derer er bald überdrüssig wurde) ernsthaft mit Musik, noch Baader mit politischer Theorie, die er später, vor allem während der Prozesse in Stammheim, nahezu druckreif aus dem Ärmel schüttelte. Im passenden Moment vom Geist des Melos überwältigt, ließ sich Jim entsprechend treiben, wie denn Andreas Baader erst in jenem Moment von der Jungendrevolte gepackt wurde, als wenigstens einzelnen derer, die ihr mit viel Pathos voraneilten, die Anwendung von Gewalt propagierten. In eigentümlicher Verkehrung der Bemühungen kommt einmal mehr die Verrechnung mit den je vorgefundenen Verhältnissen auf verblüffende Art und Weise zu ihrem Recht bzw. zum Ausdruck. In dem vom englischen Fernsehen produzierten Dokumentarfilm ´The Doors are open´ werden Sequenzen von Straßenschlachten und solche aus dem Vietnamkrieg eingeblendet, politische Versammlungen und dergleichen mehr, mit denen die Doors direkt nichts zu tun hatten, während man den ´Anarchisten´ Baader nachträglich zum Pop-Star ´degradierte´, der eigentlich nur eine endlose Party im Untergrund abgefeiert habe. Der Zeitgeist konsekriert eben immer eigene Gewissheiten am passenden Objekt. Das tut er bis heute. Morrison und Baader boten die passenden, endlos abnutzbaren, und immer wieder strahlend weißen Projektionsflächen, auf denen jede Farbe Platz findet. Letzterer hatte mit Politik im herkömmlichen, also: immer schon korrumpierten Sinne so wenig zu tun wie mit den abgestandenen marxistischen Phrasen, die er in Stammheim umso glänzender bemühte, während Morrison meines Wissens nie in einer Hippiekommune unterkam oder auf Sit-Inns erschien, noch kritisch zum Krieg in Vietnam äußerte oder der Bürgerrechtsbewegung schmeichelte, auch nicht den Black Panthers, deren Gewaltpathos ihm eigentlich hätte passen können.

Baader und Morrison sahen im gewogenen Moment die eigene Stunde gekommen, und sie zögerten nicht, voll einzusteigen. Beider Projekte duldeten keine unnötigen Klausuren, blieben frei von lästigen Skrupeln oder planender Verzögerung, denn sie waren von Anfang an ohne Netz oder doppelten Boden geplant, reine Drahtseilakte über dem Abgrund – tatsächlich: als ein Leben in ständiger Todesbereitschaft. Fest steht: beide wollte mehr als das Übliche, unbedingt alles nämlich, und das automatisch auf jede Gefahr hin: so schnell wie nur irgend möglich. Sie hatten weder Zeit noch Geduld, irgendeinen Prozess abzuwarten, der ihnen, auf Anhieb oder mittels Umweg, in die Hände gespielt hätte. Die äußeren Anlässe blieben, so steht zu vermuten, relativ austauschbar; was zählte, war das begleitende Potenzial – die Möglichkeit, mittels vorhandener Potenzen ´die Verhältnisse zum tanzen zu bringen´. Sie taten es auch. Bis den Derwischen endlich die Luft ausging. Bezeichnenderweise wurde beider Überschwang mittels gesetzlicher Machtmittel ausgebremst und abgewürgt. Und beide sind nicht zuletzt daran langsam zugrunde gegangen.

Kann und darf man endlich, in Anlehnung an einen Essay Thomas Manns, den Rex Diabolus des Jahrhunderts bemühen, um einer Verwandtschaft näher zu kommen, die sich weniger in den Einzelheiten, mehr im Typischen trifft und jenseits biografischer Divergenzen im Dämonischen gründet? Auf dem entsprechend lockeren Humus einer solchen Kultur gedeiht fast alles: vom fiesen Unkraut bis zum herrschaftlichen Mammutgewächs. Bruder Hitler – der leibhaftige Satan als entlaufener Künstler. Eine peinliche Verwandtschaft, wie Thomas Mann fand; und doch: ist es eine ersten Ranges. Hermann Rauschning beschrieb den Führer seinerzeit wie folgt:“ Hitler lieferte sich Kräften aus, die ihn mit fortrissen. Kräfte dunkler und zerstörerischer Gewalt… im Grunde seines Wesens ist er schlaff und apathisch und bedarf nervöser Reize, um aus einer chronischen Lethargie sich zu krampfhaften Willensimpulsen zu steigern.“ So oder ähnlich wirkte Jim oft in der ihm eigenen Performance, die ihn erst spät zum Leben erweckte.

Cold electric music, damage me, rend my mind, with your dark slumber

Wie denn die zahlreichen Reden des Massenmörders ihrerseits eines willfährigen Publikums bedurften: als einer Art kollektivem Weib, das man sich gefügig zu machen habe. Hitler selbst hat diesen Vergleich schon zu Lebzeiten ohne jede Scham bemüht. Auch in seinen ´Konzerten´, die der Deklamation seiner Wahngebilde dienten und die Masse in Raserei versetzte, herrschte zuoberst der Wusch und Wille, andere zu manipulieren; mitunter als Beschwörung, zwecks Entfesselung – und Vereinigung. Jim war von solchen Gedanken wie besessen. Und er bedurfte, auch jenseits der Bühne, entsprechender Reizvorgaben, die er sich mittels chemischer Substanzen und viel Alkoholverabreichte. Das befreite zusätzlich; das half, sich völlig gehen zu lassen. Noch einmal Rauschning, den anderen Hexenmeister betreffend:“ Er wählte den bequemeren Weg, er ließ sich fallen, er lieferte sich den Kräften aus, die ihn im Absturz forttrugen.“ Rudolf Diehls, ehemaliger Chef der Gestapo, traf den Diktator oft in „Phasen der Ermattung, in denen er wie leblos vor sich hinstarrte,“ wohingegen er sie in anderen sammelte und „verströmen und explodieren ließ.“ Er habe, so der Meisterbiograf Joachim Fest in einem Buch über die letzten Tage des Tyrannen,“ das Jonglieren auf des Messers Schneide wie eine Droge benötigt.“ Man verfolge nur aufmerksam genug den filmisch dokumentierten Verlauf jener Reden, die der große Satan hielt, um seine Volksgemeinschaft zu verhexen: auch er begann, wie Jim, seltsam zögerlich und schleppend, unwillig fast und unsicher mit jedem Wort, das er zunächst nur umständlich aus sich herauspresste. Und steigerte sich im weiteren Verlauf immer weiter rein: immer wütender und wilder, bis er in Rage genug war, andere damit in tobsüchtiges Entzücken zu versetzen. Ganz unser Held, ob man es nun glauben möchte oder nicht.

Adolf Hitler is still alive: I slept with her last night

I´ll tell you every place and person that i´ve been: always a playground instructor, never a killer

Jim kann, nehmen wir die in dieser Betrachtung angestellten Analogien ernst, geradezu als Paradebeispiel dafür gelten, das ein Mensch, je genialer er jeweils veranlagt ist, umso angewiesener bleibt auf eine Vielzahl passender oder günstiger, begleitender oder befeuernder Umstände, die geeignet genug erscheinen, den Stern in eine Nova zu verwandeln. Er überglänzt dann von selbst für kurz alle übrigen Gestirne, auch und gerade jene, deren Kernfusionierende Aufladung die eigene ehedem deutlich zu übertreffen vermochte. Morrison bedurfte zeitlebens der Inputs für seine Outputs, der Anlässe und Auslöser. Sein Wille blieb eher dürftig, schwach schwelend, schwindsüchtig schwankend; wankend und zögerlich, den Launen günstiger Augenblicke unterworfen, die im glücklichen Moment Eruptionen von Kurzzeitdauer auslösten. Wiewohl sich in seinem Innern mächtige Potenzen aufstauten, entbehrte er der entsprechenden Ventile, der taktischen Kniffe und klugen Kalküle, die den bloßen Emporkömmling ausmachen. Viel von seiner Authentizität rührt daher. Er mochte sich noch so ausdauernd verstellen und hinter zahlreichen Masken verstecken: in den entscheidenden Situationen fielen letztere, und stürzte ihr Träger tollkühn hinterher. Auf´s äußerste angespannt oder im Duseldämmer lethargischer Anämie: wirkte er stark und überzeugend; ein Aristokrat des Größenwahns, der sich als Fremdling empfand und in der radikalen Selbstverwirklichung, die er bis zur Neige auslebte, auch die eigene Identität erschöpfte.

Im Unterschied zu ihm blieben die anderen Doors stets befangen in überkommenen Vorstellungen oder Betrachtungsweisen, allen Selbstbefreiungsphantasien zum Trotz, die in den Auftritten ausgelebt werden konnten und über dieselben doch kaum hinausreichten. Jim sprengte wohl immer wieder den vorgegeben Rahmen; den zugehörigen Formaten samt überlieferter Formen konnte aber auch er nie zur Gänze entraten. Er hielt sich an wenige Vorbilder, denen er es irgendwie gleich tun wollte und als deren Erben er sich stets empfand. Er selbst hat nicht eigentlich ein Erbteil hinterlassen, ´nur´ eine Art Livestyle, der im Mythos gründet und bis heute die Sehnsüchte und Erwartungshaltungen derer bedient, die sich von ihm inspirieren ließen. Daneben oder darüber hinaus konnte es für ihn nichts geben. Es kam ihm folglich nie in den Sinn, auf Menschen und deren Befindlichkeiten Rücksicht nehmen zu müssen, er tat das auch nicht sich selbst gegenüber, ihn trieb ganz etwas anderes um, entlang anderer Bedürfnisse, weshalb er bis zuletzt aus dem Vollen schöpfen konnte: danach mochte die Sintflut kommen.

Spit on fate and cast hell

Folgerichtig entledigte er sich früh der eigenen Familie, die schon vor dem Durchbruch lange nichts mehr von ihm gehört hatte, und eine weitere zu gründen kam ihm nie in den Sinn. Das alles störte nur. Eine Nachfolge, wie sie Künstler gern, schon über gewisse Schulen, für sich beanspruchen, hätte einer wie er auch später nie in Erwägung gezogen, und blieb er im Ganzen zeitlebens eigenbrötlerisch bis an die Grenzen autistischer Menschenscheu, vollstreckte er im Grunde bis zuletzt nur die Wiedergeburt der eigenen, von aller Plazenta befreiten Person. Sein rigoroser Solipsismus wiederspricht nur auf Anhieb der Tatsache, dass man einen Menschen erst in den mehrfach erwähnten Bezügen zu seiner Umwelt begreift, zu den vorgefundenen Verhältnissen also, den Tendenzen und Besonderheiten der Epoche, die immer von Menschen diktiert oder exekutiert, getragen oder gehemmt werden, wobei die unbewussten Anteile am Geschehen meistenteils unerforscht bleiben. Ein Terra Incognita der eigenen Person, für das sich Jim zeitlebens sehr interessierte. Auch und gerade er blieb tief verstrickt, gerade als Einzelgänger, der seinen Standort – den magischen Innenkreis – so verbissen wie unnachgiebig verteidigte und behauptete.Er tat es als sanfter Barde oder brüllender Satyr, im Geschäft und in der Szene, öffentlich oder privat, in der Band und unter Bekannten, vor Passaten oder Publikum, und immer aus besagter Ferne heraus, die er trotz aller Berührungen wahrte.

Vor diesem Hintergrund bedarf auch die Empfehlung eines interdisziplinären Zugriffs einer nicht unwesentlichen Ergänzung, die eigentliche eine Korrektur darstellt. Gewiss: man begreift letzthin jeden Menschen umso besser, je bewanderter man in den Grundlagenforschungen bleibt, die ihn der individuellen Betrachtungsweise entrückt und als Typus im Milieu ansiedelt. Er verliert dann insgesamt an Schärfe oder Kontur, wird aber im Ganzen verstehbarer. Doch erscheinen die Befunde der Soziologen oder Psychologen, der Anthropologen und biografisch orientierten Historiker angesichts echter Ausnahmemenschen zunächst problematisch, da diese sich ja gerade den relativierendenMustern und Merkmalen entziehen, kraft einer Bestimmung, die immer vage bleibt. Das eben macht den Reiz der Beschäftigung mit solchen Leuten aus: hier bleiben immer Reste übrig, die auf mehr hindeuten, als jede bloße Gebundenheit, die der wissenschaftliche Rahmen voraussetzt, auch nur vermuten lässt. Sicher: das Typische als ein im Grunde Konventionelles konnte auch im Spiegel seiner Person mühelos nachgewiesen werden, doch wo es verkümmerte oder mutierte, da blitzte auf einmal das Ingenium auf. Hier beginnt das Rätsel. Am wenigsten weiß der Betroffene selbst es zu lösen, aber er zehrt davon, und je stärker er im Ungesonderten wurzelt, umso Rast, – und ruheloser bleibt er den dunklen Trieben ausgeliefert, die dem Urgrund entspringen oder entfleuchen. Jede Steigerung oder Verfeinerung dieser Kräfte birgt eigene Risiken, und immer auch die Gefahr des Todes, halten die bewährten Gegenkräfte nicht stand. Verhöhnt und verlacht, und am Ende verloren, erlag auch Jim den Sachzwängen einer Wirklichkeit, die sich nicht betrügen lässt.

Im Theoretischen, im selbstherrlichen Reich des Geistes, in der Kunst: herrscht unbekümmert eine Art Notstand, den erst die Wirklichkeit beendet. Bis dahin waltet Selbstherrlichkeit. Was alt und abgestanden, verbraucht und ausgereizt scheint, kann kraft des unbekümmerten Zugriffs unerhört verjüngt oder verzaubert werden, er kann schlummernden Potenzen zu tanzen bringen, zur Explosion, er kann ihnen auch den allerletzten Rest geben. Das gilt umgekehrt auch für alles Neue. Mehr noch bleibt dem wahren Künstler alles Seltene oder Seltsame, Zarte und Geronnenes, das Besondere und das Banale Anlass und Anstoß, auf einen einzigen Affekt hin ernst zu machen: denn er macht es groß, bis zum platzen. Hier blüht vielleicht auch nur, was in sich allein rasch verkümmert. Das gilt auch für den, der dies alles vermag. In einem unerhörten Menschen ist das Rätsel der Verrechnung eines, das sich immer weniger auf einige simple Nenner reduzieren lässt. Mensch und Zeit, Archetypus und Individuum, Kultur und Träger: bleiben unerhört verstrickt, in lauter Widersprüche; augenscheinlich und verdeckt, verstohlen oder anmaßend.

Es bleibt folglich immer schwierig, einen so umfassend gebildeten Menschen wie Jim, der sich ganz bewusst einer verwirrenden Vielfalt an Einflüssen aussetzte, mit den dennoch eher wenigen, den wirklich wesentlichen Potenzen in Deckung zu bringen, die sein Leben irgendwie begleitet oder bestimmt haben. Zu den Heroen, deren Manen er gehorchte und innig verbunden, ja verpflichtet blieb, zählten meines Erachtens hauptsächlich Nietzsche, Rimbaud und Blake. Der deutsche Philosoph lieferte die theoretische Begründung, während der französische Dichter eher für die praktische Umsetzung stand, die dem Sonderling Blake, der den beiden zeitlich vorauseilte, Vorrausetzung blieben: zwecks Vollendung oder Erlösung. Nietzsches Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik wies bereits, in der Gestalt des trunkenen Dionysos, deutete schon den Übermenschen an, dem die Umwertung alle Werte zukam. Rimbaud folgte diesem noch zu seinen Lebzeiten ausgebrüteten, ihm sicher unbekannt gebliebenen Ideal, indem er alle einem Menschen überhaupt möglichen Erfahrungen zu machen sich anschickte, mit sämtlichen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und zu jedem Preis. Überwog bei Nietzsche der Gedanke als das Höchste (obschon seelisch aufgeladen), sind es bei dem Dichter endgültig ganz handfeste Erfahrungen, die zählen; ist es das sinnlich gesteigerte, unerhört intensive Erleben, das zur Erkenntnis oder Erleuchtung führen kann – oder ins Chaos. Blake nahm derlei Ideale in seiner den Menschen aus dem Urschleim der Überlieferung befreiten Mystik vorweg. Er schuf sozusagen ein geläutertes Weltbild. Man könnte sagen, dass er die Novizen zu neuem Glauben verführte, indem er passende Evangelien schrieb. Alle drei sahen sich den überkommenen Glaubensgewissheiten und Transzendenzen entfremdet, als Erben der damals noch wirkungsmächtigen Aufklärung, wiewohl die frisch aufkommende Romantik schon den weiteren Exkurs bestimmte, indem sie eine verwirrende Vielfalt an Formen und Farben mischten. Rückte die Aufklärung Verstand und Vernunft in den Vordergrund, verlangte der romantisch veranlagte Mensch den ganzen Menschen, in all seinen Facetten, auch den fragwürdigsten, ja: gerade in diesen.

Die Vergottung des Menschen mündete allerdings nur bei Blake im Numinosen, das den Einzelnen wie eine unsichtbare Eierschale umfängt; Nietzsche und Rimbaud blieben dem hypertrophen Menschen verpflichtet, der sich in grenzenloser Exaltation am innigsten spürt und dabei selbst abhandenkommt. Für Nietzsche galt, das der Erwählte über sich hinaus zu wachsen, sich zu überwinden habe: um sich und das Leben selbst zu übertreffen. Solches führte zurück zum Leben überhaupt, jenseits von Gute und Böse – zurück zu den verwischten Ursprüngen.

Come back, brave warrior, do the dive, on another channel

Alle Arten der Liebe, des Leidens und der Verrücktheit hat solch ein Mensch zu suchen, wie Rimbaud in seinem berühmten Seher Brief konstatiert; mittels Verwirrung sämtlicher Sinne wird er zum Schöpfer seiner selbst, der dann sagen darf, sein Ich sei ein anderes.

I am the lizard king – i can do anything

Blake schien eher eine göttliche Vereinigung anzustreben, für ihn galt noch nicht: Gott ist tot (Nietzsche). Nichts Höheres konnte sich Nietzsche vorstellen, als an einer großen Sache zugrunde zu gehen.“ Was also,“ so fragte Rimbaud folgerichtig,“ wenn er (der Dichter) vernichtet wird auf seinem ekstatischen Flug…?“ William Blake sah seinerseits schon die bloßen Alltagserfahrungen im Lichte der Vision (das passt vorzüglich zu Jims frühen, gleichsam dem Alltäglichen entnommene Themen). Die Würde des Menschen gründete in dem Vermögen, ganz in der Vision aufgehen zu können. Von Nietzsche aus ergab sich beinahe von selbst die Querverbindung zur Lehre Freuds, war doch der Philosoph selbst ein genialer ´Psycholog´. Er kündete vom Willen zur Macht. Wer diesen recht zu deuten verstand, sich also auch mit den tiefenpsychologischen Grundlagen vertraut machte, der vermochte die Pforten der Wahrnehmung aufzustoßen, der entfesselte endlich die noch nicht in Resten aufgeschlüsselten Mächte des Lebens. Im Geistigen wurzelte diese Freiheit, die als Rausch den Exzess ermöglichte. Blake, Rimbaud oder Nietzsche: waren Ekstatiker des Geistes, selbst also: exzessiven Geistes. Bis zuletzt beschwor Morrison den begleitenden Mythos: verzweifelt und auf ersichtlich verlorenem Posten.

Where are the feasts we were promised? Where ist he wine, the new wine, dying on the vine

Rimbaud suchte nach eigener Aussage das Wesentliche der Gifte in sich zu bewahren. Er nahm schon vieles von dem vorweg, was den Autoren der Beat-Generation zum Thema wurde, die Kerouac, Burroughs oder der jüngst mit hundertundzwei Jahren verstorbene Ferlinghetti. Blake suchte das neue Lebensgefühl, dem er tastend auf die Schliche gekommen war, in ein weltanschauliches Gefäß zu gießen. Jim bemerkte später selbst einmal, das es noch immer keine zusammenfassende Philosophie gäbe, die alle früheren Anläufe des Geistes widerspruchfrei in sich beinhalte, denn auch das Blakesche System blieb, wiewohl auf Universalität pochend, eigentümlich versponnen und verkapselt, exklusiv und ausschließend. Nietzsche verfocht das Recht des großen Gedankens, der aber tief erlitten oder erfühlt sein musste, sonst taugte er nichts. Rimbaud setzte einzig auf starke Erlebnisse. Alle drei blieben zeitlebens einsam, wiewohl Blake, gleich Jim, einer Gefährtin die Treue hielt. Fremd auch blieben sie in der eigenen Zeit, zunächst ganz ohne Resonanz oder Verständnis, dies sehr im Unterschied zu Jim, der freilich ohne die Bekanntschaft mit seinem Paulus (eine Rolle, die laut Densmore dem ´Prediger´ Manzarek zufiel) Außenseiter geblieben wäre.

Morrison verehrte nicht einzig Literaten, Künstler oder Denker, recht eigentlich galt seine Bewunderung den Helden aus antiker, ja sagenhafter Zeit. Alexander, Prometheus oder Dionysos: sprengten gleichsam jedes Maß. Der Vergleich mit den Unsterblichen, so anmaßend er sein mag, macht doch immerhin deutlich dass Jim, trotz aller Prägung durch die Zeit, auch ob der Verwandtschaft mit den gleichsam früh vollendeten und rasch aufgebrauchten Helden seiner Generation, im Grunde ganz aus dieser Zeit herausfiel oder herausragte, je nachdem. Den ´Blutsverwandten´ ähnelte er gleichsam nur bis zu einem gewissen Grad. Er war im Grunde ein echter Spätling, schon zu Lebzeiten in den Verstiegenheiten und Ansprüchen, die ihn seltsam schrullig erscheinen ließen, gnadenlos überholt; selbst also eine Gestalt aus ferner Vorzeit; jemand, der sich in überkommene Ideale ´verliebte´ und so am Gegenwärtigen ´versündigte´. Schon zu Beginn der Dekade, die ihn trug, versiegte bekanntlich der Quell seiner Inspiration, doch da zeigte sich auch, dass er keiner weiteren Initiationen bedurfte, um sich der Geschichte oder dem Pantheon zu empfehlen. Morrison blieb, obschon ihm Nachahmer in Legion folgten, ganz ohne Nachfolger. Auch ohne Folgen. Nur die legendenhaft überhöhten, neuzeitlich verbrämten Mystizismen schossen ins Kraut, behaupteten beharrlich ihre Geltung und wuchsen sich, gleich ihm, zu Monstranzen aus. Sein Stil war einmalig und unwiederholbar, unerreichtes Vorbild für die allzu vielen, von denen freilich kein einziger auch nur annähernd seinen Ton traf, der rasch im Geklingel hektischer Beliebigkeit hätte untergehen können. Er hielt sich aber, bis zum heutigen Tage. Galt und gilt das nicht auch für Nietzsche und Rimbaud? Auch deren Nimbus hält sich schadlos. Ihr Leben litt am Leben selbst.

Das kam, weil auch sie zum Äußersten neigten und nicht davon ablassen konnte, mit Haut und Haaren dafür einzustehen: ganz und gar. Nietzsche tat dies bis zum Wahnsinn, der Dichter übersprang die Grenze noch vor Erreichen seiner Jugend. Es half ihm nichts. Er landete wieder genau dort, wo er die verächtlich als ´Neger´ bezeichneten Alltagsmenschen vermutete: im tristen Einerlei.“ Ich, der ich mich als Magier oder Engel bezeichnet habe,“ so klagte der Jüngling gegen Ende seiner dichterischen Existenz,“ jeder Moral entbunden – der Erde bin ich widergegeben, ich muss eine Aufgabe finden, die raue Wirklichkeit ergreifen! Bauer!“ Er versuchte es auch; und scheiterte dann. Fern der Heimat, in der Fremde – im Exil: schloss er, sich überlebend, mit allem ab. Wie Jim. Beider Überschwang hatte sich nämlich in Wohlgefallen aufgelöst. Ehedem aber: hatte er alles gegolten.“ Von den irdischen Wünschen,“ dichtete der Knabe Rimbaud,“ vom Streben der Menge, löst du dich dann, fliegst nach eigenem Gesetz.“ Jim selbst legte es genau darauf ab: die Welt jetzt wollen, auf der Stelle, um jeden Preis. Freilich: blieb auch ihm am Ende nur ein müdes Achselzucken. Der Strom des Lebens hatte sich in einen traurigen Rinnstein verwandelt, der die kümmerlichen Reste elenden Treibgut fortspülte, doch schwoll er im Laufe der Jahre auch wieder an, und grub sich so ein mächtiges Bett.

Dass auch der Ausnahmemensch, verfemt und unverstanden, letzthin kein ´Selbstläufer´ ist und, bei aller Selbstherrlichkeit, den blinden, allzu unverstandenen Launen des Schicksals unterworfen bleibt, und zwar umso schmerzlicher, je unerhörter er sich gebärdet: macht gerade der Fall Morrison sehr deutlich. Die nachträgliche Heldenverehrung täuscht nur zu leicht darüber hinweg, das alles auch ganz anders hätte kommen können. Wie oft verweigert das Schicksal den Auserwählten Recht und Respekt! Insofern darf der Verlauf dieses Lebens als widersprüchlich und unwahrscheinlich, ja beinahe kurios verstanden werden. Auffallend bleibt ja, dass Jim gerade das, was er bei den Doors ´hauptberuflich´ tat, singen nämlich, kaum konnte und aus der Not sozusagen eine Tugend machte: eine Fülle an dramatischen Einfälle und sublimen Ausdrucksweisen konnte, singend eben, spielerisch ausprobiert werden, indem er aus sich heraus knurrte oder keuchte, sprach oder schrie, beschwor oder flüsterte, hauchte und verkündete, was an Worten und Wendungen solcherart einen unwiederholbaren Zauber gebar.

Mit dem, was er wirklich wusste, wovon er etwas verstand: war im Popgeschäft nicht viel anzufangen. Das aber, was er zeitlebens schrieb, lauter Stückwerk nämlich, ließ sich passend in Songs unterbringen, anders wäre diesen Ergüssen kein Leben je beschieden gewesen. Jim blieb Laie, Dilettant – ein Genie im Stand des Kindes sozusagen. Hochbegabt und ambitioniert, ein Mensch mit vielen Begabungen und tiefwurzelnden Anlagen, ging ihm Zeit seines kurzen Lebens die Fähigkeit ab, es auf irgendeinem Felde zur Meisterschaft zu bringen, mit einer einzigen, sehr bezeichnenden Ausnahme: als lebendiges Gesamtkunstwerk. Alle übrigen Betätigungsfelder, denen er sich intensiv oder halbgar, und immer allzu kurz widmete, blieben unbeachtet. Morrison bedurfte also, trotz aller Freiheiten, die er sich herausnahm, der Anderen, um das Eigene irgendwie behaupten, befreien, überhaupt sichtbar machen zu können. Mit dem, was ihm am Herzen lag, trat er stets auf der Stelle, drehte er sich hilflos im Kreis. Der Performer tat sich unendlich schwer, wie der Sänger zunächst. Vor dem Durchbruch und schon kurz danach: dominierte eine Unsicherheit, die als Unruhe dafür sorgte, das er im entscheidenden Moment alles vergeigte. Ob dieser ´Karriere-Fehler´ in seinem Wesen begründet lag, sei dahin gestellt. In der kurzen Phase des Ruhms, mit dem er nicht fertig wurde, befielen ihn tiefe Selbstzweifel, die man heute allzu leicht als Schwäche oder Unvermögen abtut. Tatsächlich gründet hier der Mythos; alles Weitere hätte ihn von selbst erledigt. Das ist leicht einzusehen. Wer sich dauerhaft in der Unterhaltungsbranche etablieren möchte, der bedarf auch des langen Atems. Unentbehrlich bleibt, zwecks Professionalisierung, die Schulung gewisser Fähigkeiten und Fertigkeiten. Disziplin und Durchhaltewillen sind heute wichtiger geworden denn je.

Dem standen Jims Dämonen im Wege. Eine mögliche akademische Karriere, dauerhaft und seiner Begabung angemessen, zeichnete sich nicht einmal zu Beginn ab, schon an der UCLA scheiterte er am eigenen Unvermögen. Kann man sich den Lizard King als ernsthaften Autor oder fleißig arbeitenden Künstler vorstellen? Was wäre dann vom Bild übrig geblieben, das wir uns heute von ihm machen? So will uns denn nachträglich scheinen, als habe alles auf diese magischen Momente hingezielt, die man noch immer mit ihm in Verbindung bringt, allen Zufällen zum Trotz, sie mögen begünstigend oder hemmend gewirkt haben. Morrison entbehrte sowohl der festen, prosaischen Vorsätze wie überhaupt einer Mäßigung oder Bändigung, einer Art Temperaturausgleich; die nur von innen kommt.

Er blieb leidenschaftlicher Amateur. Eine dauerhafte Gesangskarriere ließ sich, mangels stimmlicher Grundlagen, nicht aufbauen, und er hätte auch keine Lust dazu gehabt. Für die Musik bedurfte er, dem schon die verordneten Klavierstunden früh zum Hals heraushingen, stets der anderen. Alle übrigen Professionen, mit denen er sich beschäftigte, blieben seltsam unbestellt, flüchtig oder nur oberflächlich bearbeitet, ´beackert´ sozusagen im Zustand halbherziger oder überkandidelter Unreife: lauter Brachen. Stand ihm also, wie vielen Hochbegabten, das eigene Genie im Wege? Viel von seinem Überdruss rührte wohl daher. Das, was wirklich zündete, blieb mit heißer Nadel gestrickt. Jede noch so herrliche Eingebung bedarf der sorgsamen, geduldigen Ausarbeitung. Das erledigten dann Roby, Ray und John. Es reichte, ihren Schöpfer unsterblich zu machen. Im Einzelnen scheiternd, gelang ihm doch wenigstens einmal im Ganzen, was den Vielen, allen Mühen zum Trotz, versagt bleiben musste. Eine Art Übermaß, rechtzeitig gebändigt, sprengte für kurz alle Maßstäbe. So eben fügte sich der Mensch in sein Schicksal. Jims über weite Strecken auffallend unsichere, schlafwandelnde Existenz, die der Zufälle bedurfte und zur Überreizung tendierte, fand wenigstens einmal zu glücklicher Ganzheit; danach nie wieder. Seine wenig geradlinige, über zahllose Umwege ans Ziel führende Laufbahn, die erst nachträglich gerundet, folgerichtigoder ´passend´ erscheint: lebte von der Freiheit selbst, die sich so schnell wieder verlor. Jim kam schon als Scheiternder zur Musik, gedemütigt und geduckt sozusagen, ja man muss eigentlich sagen, das gerade die Musik, der er seinen Nachruhm dankt, wie eine Laune der Natur erscheint und so alle übrigen Ambitionen, falls er ihnen zu diesem Zeitpunkt noch ernsthaft nachhing, spontan in den Hintergrund drängte: aus den Augen aus dem Sinn. Als Morrison dann, enttäuscht von seinem Dasein als ´Star´, die alten Fäden wieder aufnahm, schienen diese viel zu dünn, wie Spinnweben.

Einer scheuen Katze gleich, die frühmorgens aus dem Dunkel schleicht und dann den Tag verschläft: streunte Jim durch sein Leben. Früh ergab er sich der Willfährigkeit eigener Launen und passender Zufälle. Lethargie und Langeweile, der lässige Umgang mit allem, was irgendwie nach Routine roch, Unentschiedenheit und mangelnde Ausdauer: haben früh eine Könnerschaft verhindert, die der Improvisation nur als Anstoß bedurfte. Dem Meisterlichen zog Morrison das Experiment vor. Was dabei herauskam? Nun, man würde schon sehen. Womöglich muss jemand, der alles will, so auch immer über das eigene Ziel hinaus schießen, an allen Wegmarken vorbei, die Jim weniger setzte, mehr immer wieder verschob. Im Grunde grüblerisch und schwerblütig veranlagt, befreite er sich auch davon durch die Drogen, tauschte Planung durch Intuition, das Wagnis gegen die Taktik ein und gewann, indem er am Ende alles verlor. Er floh sich selbst, um ein anderer zu werden, und so auch allen andern; doch die Geister die er rief, wurde er nicht mehr los. Verbliebene bürgerliche Alternativen verbaute, verunmöglichter er sich solcherart. Der Autor bekennt freimütig: bürgerlich gewendet oder gereift, gerettet oder nur in Ansätzen geworden und ´gewachst´: will er sich den Helden eher nicht vorstellen.

Passend dazu nun auch noch die Frage: Was wäre wenn… – er das eigene Kamikaze Unternehmen überlebt hätte? Eine Frage ohne Sinn, im Grunde. Nehmen wir uns noch einmal den Antipoden Jagger vor. Hätte ihn damals einer von den Hells Angels gemeuchelt, was ernsthaft nach dem Altamont Fiasko erwogen wurde: sein Bild in der Pop Geschichte sähe heute völlig anders aus. Wer mochte, den lasziv-dekadenten Mick der späten Sechziger vor Augen, seinerzeit damit rechnen, dass derselbe einmal zum diszipliniert arbeitenden, unermüdlich trendsetternden, alles andere als Geheimnisumwobenen, Faltenfurchenden Berufsjugendlichen herunter kommen oder aufsteigen würde? Die stets etwas altkluge, im Kern täppische und sehr heutige Frage danach, wie einer von denen, die längst von uns gegangen sind, jetzt wohl drauf wäre oder nicht, was solche wohl jeweils täten oder unterließen, wie sie diese oder jene Dinge bewerten würden: hinkt ganz gewaltig. Einem solchen Menschen fehlte einfach das Wesentliche, die entsprechenden Erfahrungen nämlich, der ganze Vorlauf also; unsere, ihm fremde Sozialisation. Die hätte dann, wie billig, auch ihn verändert. Man kann so einen Menschen nicht eins zu eins in eine ihm fremde Welt ´teleportieren´, er wäre rettungslos verloren, wie wir es wären, ´kickte´ man uns in eine Zeit zurück, die vor der unseren lag.

Jim ist und bleibt eben einer, der auf ganz anderem Wege zu dem wurde, der er war – anders also, als wir zu denen heranwuchsen, die wir nun einmal geworden sind. So banal und einleuchtend das auf Anhieb klingt: in der Restrospektive verfallen wir doch immer wieder auf den alten, schrägen Taschenspielertrick. Da gehen die Leute in analoger Selbstvergessenheit ihren eigenen Phantasma auf den Leim und erklären dann den großen Philosophen Leibniz zum ´Urvater´ des Internetportals Wikipedia, der göttliche Mozart würde Musik machen wie Dieter Bohlen (!) und dieser oder jener Politiker drehte sich im Grabe um, sähe er, was in seiner Partei gerade abginge. Fürwahr: banal. Die eigentliche Frage ist und bleibt doch, auch und gerade im Blick auf Morrison: wer war dieser oder jener Mensch damals, und zwar ausschließlich nur damals, weil geprägt durch die seinerzeit herrschenden Verhältnisse, deren Wiederholung nicht mehr stattfinden wird. Und zwar niemals. Wer ist dieser Mensch also – gerade nicht?

Wie war, so muss man endlich fragen, einer wie Morrison damals überhaupt noch möglich. Er empfand sich als Dichter, aber deren Zeit war längst abgelaufen, und im digitalen Zeitalter ist der Poet ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Das Digitale begünstigt und befeuert ganz gegenläufige Impulse, setzt also andere Schwerpunkte, drängt nicht länger in die Tiefe, tastet nur mehr die unruhig zitternden Oberflächen ab. Das war Jims Sache nie. Im Digitalen hätte er sich wohl ähnlich verzettelt oder verloren wie im Film – und mit den Drogen. Oder hätte ihn all das am Ende harmlos, langweilig – unwichtig werden lassen? John Densmore beschlich eine Vorahnung dessen schon im Anschluss an das letzte gemeinsame Konzert der Band. Der Fürst der Finsternis gab während des Auftritts abgestandene Witzchen zu Besten, schwätzte danach umso redseliger daher und hatte insgesamt jede Strahlkraft eingebüßt. Ein harmloser alter Blues-Barde, der keinen mehr vom Hocker haute. Alle wussten das, und keiner traute sich, es offen auszusprechen.

Nicht einzig seine Bühnenpräsenz verflüchtigte sich; auch die begleitende Inspiration. Das konnte den Lyriker, der Gedichte für die Ewigkeit ersann, nicht unberührt lassen. Alle Lust, meinte Nietzsche, will tiefe, tiefe Ewigkeit. In Zeiten wahlloser Zerstreuung geht diese Saat kaum mehr auf. Wer streute sie auch heute noch so sinnlos wie vergebens aus? Wahre Dichtung, wir erinnern uns an Jims Worte, sagt nichts mehr aus, sie hakt nur noch die Möglichkeiten ab, indem sie Türen öffnet, durch die gehen kann wer mag. Dieser Traum ist, als Alptraum, heute Wirklichkeit geworden. Man kann grenzenlos im Netz surfen, alle Möglichkeiten in endloser Beliebigkeit abhaken und erledigen, um unbekümmert bis zur nervlichen Erschöpfung weiterzumachen. Surfen ohne Ende, ein Spaß der keine Grenzen kennt. Insofern bleibt bezeichnend, dass Jim gerade an seinem Lieblingsprojekt, dem Film, so kläglich scheiterte. Film ist wesentlich künstlich, abgleitet – und kann doch Gefühle wecken. Das gelang Jim auf diesem Wege nie. Nur mit den Songs, die er den andern vorsingen musste, glückte das Wunder. Schon die Studioarbeit langweilte ihn schnell und gründlich. Hätte einer wie Morrison sich auf die zunehmende Verkünstlichung einlassen können? Wären Überdruss und Langeweile damit erledigt gewesen? Hätte ihn die zunehmend perfektionierte, allzu selbstherrlich sämtliche Regungen menschlichen Lebens manipulierende und nivellierende Technik eher abgestoßen oder abgeklärt, justiert oder abgerichtet? Jim war weitsichtig genug, das alles schon vorherzusehen. Do you know we are ruled by TV, fragt er in ´An american Prayer´, dem einzig wirklich gelungen Gedicht, und passend dazu: Did you know freedom exists in a school book? Schon die Gefahren des Fernsehens sind ihm deutlich bewusst geworden. Fernsehen, als öde Ersatzhandlung, ersetzt jede echte und hat irgendwann zur Folge, dass einer gar keine richtigen Erfahrungen mehr machen kann. Dennoch setzte Jim auf den Film, den er als magisches Schattenspiel verstand; unfähig zu begreifen, das damit Phantasien weniger beflügelt, mehr abgerichtet und endlich ganz erstickt oder erübrigt werden. Man erspare mir an dieser Stelle, den Typus ´Nerd´ zu bemühen. Ich möchte mir Jim so niemals vorstellen müssen.

Vom Zeitgeist getragen, wäre unser Held, einen anderen vorausgesetzt, womöglich nie öffentlich in Erscheinung getreten. Er war in allem erstaunlich unprofessionell,unberechenbar – frei. Gerade im Popzirkus ist heute aber jede noch so verkaufsträchtige Regung umgehend dem korrespondierenden Kalkül unterworfen; ist überhaupt alles ganz wesentlich: Geschäft. Die Anzeichnen dafür freilich mehrten sich auch damals schon (Jim, ironisch: Rock is dead). Auch sah Jim, im Fernseh-Interview mit Goldstein, schon den Musik-Produzenten als Hauptakteur voraus. Wo soll da noch Platz für den großen Einzelnen bleiben? Jenseits Branchenüblicher Inszenierungen und Aufbereitungen fällt dieser der Beliebigkeit wahllos um sich greifender Banalismen zum Opfer. Einen Atemzug lang gelang es Morrison, den Platz im Rampenlicht für sich zu beanspruchen. Dann ging ihm die Luft aus. Rechtzeitig genug, um nicht in Beliebigkeit zu verkommen.

Nähme man einen wie Morrison, in den entsprechenden Posen, heute überhaupt noch Ernst? Immerhin: sah er blendend aus. Ganz ohne digitale Nachbearbeitung. Der eher unscheinbare Phil Collins mutmaßte in einem Interview, als Neuling heute keinen Erfolg mehr haben zu können, das sei vorbei, damals gerade noch möglich gewesen. Jim wandte sich spätestens Anfang 1968 angewidert oder ernüchtert, auf jeden Fall übersättigt vom Betrieb ab. Was sein glühendster Exponent, der altkluge Manzarek, schon damals nicht begreifen konnte. Er sah das Bild, dass er sich vom Freund gemacht hatte; nie den ganzen Menschen selbst.

Der blieb widersprüchlich, schwierig – schwankend. Erinnert: Open Airs waren dem Sensibelchen rasch verhasst. In Fernsehshows kam er eigentlich nie so recht rüber. In der Hollywood Bowl störte ihn angeblich das grelle Licht der Scheinwerfer, ohne die der begleitende Film eher blass ausgefallen wäre. Darum bewegte er sich da auch kaum. Ein Profi leistet sich solche Extravaganzen nicht. Besprechungen, zu denen man die Doors einlud, mied er tunlichst. Verabredete Foto-Sessions, etwa mit der nicht minder eigensinnigen Nico, scheiterten, weil er dann einfach nicht kam. Der ohne Absprache mit ihm vereinbarte Werbespot mit Light my fire, als gefälligem Hintergrundgedudel, erzürnte ihn. Und da hat Manzarek dann doch wieder Recht: Jim war echt, in allem, was er tat oder nur vorgab tun müssen – auf eigene, oft ärgerliche Weise. Trotz der zahlreichen Masken, die er trug. Jede beschwor einen anderen inneren Zusammenhang. Der begleitende Zwiespalt, den Nietzsche als tiefe Wahrheit begriff, hielt unseren Helden bei Laune.

Insofern war Jim authentisch auch und gerade im Unbestimmten. “A man is essentially what he hides,“ fand Ernest Hemingway. Das war auch Nietzsches Meinung. Der hohe Adel eines Menschen zeige sich gerade in dem, was dieser wesentlich verbirgt oder verschweigt. Eine Haltung, die an Morrison sehr spürbar wird. Er hielt, sah man nur genau genug hin, vieles zurück, auf dem Herzen sozusagen; um eine Wendung Schopenhauers zu bemühen. Jims Unwille, sich erklären, und das heißt ja immer: den sensiblen Kern entblößen zu müssen, zeigte sich schon da, wo er umständlich um Worte rang, zögerlich und zaudernd, wie mehrfach erwähnt wurde. Die Akkuratesse und Eloquenz seiner Aussagen verdeckte eigentlich nur das Wesentliche. Auch in der Dichtung überwogen Symbolismen und Doppeldeutigkeiten: vulgär und direkt, meist chiffriert oder verschlüsselt, ja verdreht. Neben den simplen Spruchweisheiten und Widersprüchen, magischen Bilder und Beschwörungen geriet die Person umso verlässlicher aus dem flüchtigen Blick. Der Dichter, fand Flaubert, müsse in seinem Werk so sein wie Gott im All: überall gegenwärtig und nirgends sichtbar. Jims bekenntnishafte Äußerungen, vor allem später, beziehen sich auf reine Befindlichkeiten und das Denkmal, das er sich nach seinem Bilde schuf und schönte, dann mit Dreck bewarf und endlich ganz über den Haufen. Das war im letzten nie er selbst, kein ´echter´ Mensch; nur das Ideal desselben. Sein erhaben-arrogantes Getue auf der Bühne, durchsetzt mit schillernden Kaskaden, bewahrte Jim vor zu viel falsch verstandenem Verständnis; und dessen Aufdringlichkeiten.

Sicher war Morrison ein seltsamer Vogel und seltener Glücksfall zugleich. Unwiederholbar. Glänzend ausplatziert, auch ausbalanciert. Ein echter Volltreffer. Denn die Extreme, eigene wie gegenwärtige,äußere und innere, trafen sich glücklich im passenden Moment: Mensch und Zeit im flüchtigen, nur vorläufigen Zenit.

I have ploughed my seed through the heart of the nation, injected a germ in the psychic blood vein

So ähnlich eben war es auch mit Woodstock, das tausendmal und mehr zu scheitern drohte und dann in lauter passenden, auf Anhieb gar nicht so schlüssigen Ergänzungen etwas Einmaliges gebar, das schon in Altamont, anderen Umständen anheim, unfehlbar missriet. Das wissen wir ja mittlerweile. Es gab kein danach mehr. Magie lässt sich nicht (nach)machen. Steve Harris meinte, dass es mit Jim später nur noch bergab gegangen wäre. Freilich: das tat es auch früher schon. Er und seine Zeit trafen sich im Augenblick der Befreiung, das war und blieb der gemeinsame Fixpunkt, die übergeordnete, alles einende und sprengende Idee, und als diese schließlich in ihren Fragmenten den Härten der Wirklichkeit erlag, sich überlebend in lauter dünnsuppigen Programmen und Entwürfen, trennten sich die Wege wieder. Die Liaison konnte nur eine flüchtige, vorüber gehende sein.

Now i embrace the poetry of business and become – for a time – a Prince of industry

Im Spiegel zeitgenössischer oder nachgeborener Betrachtungen wechseln die Extreme. So auch und gerade im Blick auf unseren Helden. Man merkt schnell, dass beteiligte oder unbeteiligte Personen eigentlich nur besagte Projektionsflächen nutzen, sich also gründlich am Mythos abarbeiten, statt dem Wesen seines Trägers, so rätselhaft es bleibt, halbwegs ehrlich zu begegnen um die sichtbaren Bezüge aufzuarbeiten. Sie werden aber eher umständlich aufgemotzt, manierlich mit je eigenen Phantasma angereichert und solcherart aus den tatsächlichen Zusammenhängen entfernt. Paradebeispiel Ray Manzarek. Was hatte dieser Mann nicht alles vor mit Morrison! Er blieb dessen größter Bewunderer und Befürworter, Prophet des Propheten, Künder des Allmächtigen, und bog sich diesen Menschen doch so ausdauernd entlang eigener Vorlieben und Vorurteile zurecht, bis der solcherart Verwandelte in sein eigenes, eklektisch zusammen geklaubtes Konzept einer alternativ-esoterischen Wunderwelt passte. Nicht minder subjektiv näherte sich auch Densmore dem unverstandenen Freund, doch kam er ganz ohne die weltanschaulichen Vereinnahmungsversuche des Älteren aus. Er blieb halbwegs ehrlich in seiner späten Ratlosigkeit, wie denn bei ihm, im Unterschied zu Manzarek, die vielen Fragen oft ohne befriedigende Antworten bleiben; letztere fielen bei diesem stets im erwünschten, man kann auch sagen: im zweifelsfreien Sinne aus. Vor diesem Hintergrund nehmen sich die Schattenseiten unseres Helden als Folgen schlechten Wetters aus: das sind dann Störungen in der Atmosphäre, während umgekehrt in den Erinnerungen des Schlagzeugers der Schattenmann selbst zum Wettergott wird und als solcher gar nicht zu trennen ist von den Verwüstungen, die er anrichtet. Densmore hat dieses unheilvolle Klima eingefangen, er beschreibt ganz gut die immer wiederkehrende Hilflosigkeit und das Entsetzen; Zustände der Verwirrung die zu Verwünschungen führen. So dominieren in seinen Erinnerungen, die als Aufarbeitung überzeugen, Zweifel und Irritation, Wut und eine nervöse, Akne auslösende Erregung, die ihn all die Jahre über auch äußerlich zeichnete.

Sugarman war es übrigens auch: ehrlich. Auf wiederum eigene Weise. In der grenzenlosen Bewunderung, die er mit Manzarek teilte. Als einer aber, und auf diesen Unterschied kommt es an, der nie ganz fertig wurde mit dem Idol, wie Densmore und deren etliche mehr. Sie spürten, dass man den Freund nicht in zwei einander beißende Hälften teilen konnte, denn good guy und bad guy: machten den ganzen Menschen aus. Der eine war ohne den anderen nicht zu haben, Jekyll und Hyde gehörten zusammen und ergaben erst in der wechselseitigen, immer fragwürdigeren Verrechnung die schillernde, außergewöhnliche Gestalt, der wir den fortdauernden Mythos danken.

Die vielleicht ehrlichste Annäherung mag Jerry Hopkins gelungen sein. Aber es blieb eine, die im Journalismus wurzelt und dem Herkömmlichen als Überkommenen verhaftet bleibt und mit einer gutgemeinten, wiewohl oft entbehrlichen Recherche das Kerngeschäft lebendiger, durchdringender Betrachtung trübt. Allzu vorsichtig in der Grenzüberschreitung, ohne die man einen, der sich dieselbe zum Prinzip machte, nur in unfertigen Belangen verstehen kann, kultivierte er den üblichen Bienenfleiß des Sammelns und Ordnens, doch verstellt die Häufung von Fakten nur den Blick auf weitende Zusammenhänge.

Im Wandel der Wahrnehmungen bzw. Beurteilungen einer Epoche und eines Menschen wird immerzu deutlich, wie sehr wirklich alles Geschichte ist – und bleibt. Man steht oder fällt in seiner Meinung – zusätzlich zu den subjektiven Vorlieben, die immer bestimmend bleiben – stets unter eigener Flagge. Soll heißen: die herrschende gesellschaftlich-kulturelle Prägung bestimmt Form und Verlauf der Betrachtung. Und deswegen fällt es uns allen auch so schwer zu begreifen, was ehedem anders war als heute. Womit wir am Ende wieder den Anfang dieser Geschichte erreicht hätten. Exemplarisch oder im gefühlten Ganzen mischt sich Gegenwärtiges mit dem Vergangenen, und so erfindet sich beides bei jeder Gelegenheit neu. Wenn man, anhand einer mehr erspürten denn je erfassten Atmosphäre einer Zeit auch das konkret Besondere, trennscharf Typische, das also zu heute sichtbar differierende immerhin berührt, als Fremdling aus einer anderen Epoche: hat man schon viel erreicht.

Das Ende der Geschichte selbst ist freilich lange nicht erreicht. Für Manzarek ging die Morrison-Story unverdrossen weiter. Er weigerte sich beharrlich, den Fall zu den Akten oder einfach beiseite zu legen. So falsch lag er damit vermutlich gar nicht. Der Mythos Morrison hatte und hat seine Konjunkturen. Derzeit mag es etwas ruhiger um ihn bestellt sein. Doch diese Ruhe wird nicht von ewiger Dauer sein. Das soll keine Vorhersage sein. Ich vermute das lediglich. Frank und frei: was taugt der Lizard King, betrachtet man sein Tun und Treiben unter den gegebenen Verhältnissen, für eine weitere Zukunft, sie mag nah oder fern liegen? Sie ist, will man uns glauben machen: digital. Als solche eröffnet sie auf Anhieb endlos viele Möglichkeiten spielerischer Betätigung, die freilich dem Diktat des Schattenreichs unterstehen, dessen Bann keinerlei Ausflüchte gestattet. Sie bleibt verdünnt und ohne Gravität oder Mittelpunkt. Eine reine Ersatzwelt. Wesentlich künstlich. Abgeleitet – zwecks Abrichtung und Domestikation. Der entsprechende Raum, sich endlos blähend, täuscht Grenzenlosigkeit vor. In Wahrheit ist er vor allem lückenlos unter Verschluss, eben: abgeriegelt bis in den fernsten Winkel hinein. Kann dass Freiheit sein oder bedeuten? Gewiss nicht. Insofern wartet der Mythos Morrison nur darauf, neu entdeckt, ja irgendwie bestätigt zu werden. Jim lebte Freiheit ganz: immer also mit Haut und Haaren. Hat sich das falsche Spiel der Illusionen, die nur neue Abhängigkeiten erzeugen, erst einmal totgelaufen, mag jenen, denen im Innern noch irgendwie der Sinn am Authentischem, das im Analogen wurzelt, lebendig geblieben ist, auch dieser Mythos zur Erweckung werden – ein Wink mit dem Zaunpfahl. Die alles entscheidende Frage wird sein, ob die schleichende Entmündigung des Menschen von diesem noch rechtzeitig als solche erkannt wird und zur Empörung führt.

Geschichte weiß ein Lied davon zu singen. Ob Winckelmann oder Rosseau, die Romantiker so gut wie das Gros ihnen anverwandter, schon an eigener Müdigkeit verdämmernder Symbolisten: immer wieder flüchteten sich die feinnervigeren unter den Zweiflern, die Zivilisationsmüden und Daseinsinnigen, als schnell Daseinsüberdrüssige in eine ideale, sehnsuchtsvoll verklärte Vergangenheit. Tat das im Grunde nicht auch Jim? Schon als er in Venice erschien oder verschwand, je nachdem, und weiter fort bis in die Rue Beautreillis Nr. 17, wo er der Welt endlich ganz abhanden kam: war er ein Verschwörer. Dass er zugrunde ging, sagt wenig über den begleitenden Affekt aus. Ohne Tragik keine Größe. Insofern darf man auch Morrison, der im Ergebnis scheiterte, groß nennen. Sein Lebensweg bestätigt die Anmaßung zu Genüge. Er hat denn auch weniger mit irgendeinem Werk, mehr durch sein Beispiel gewirkt, dem zu folgen so verführerisch wie fragwürdig bleibt. Dieser Eine, Einzelne lebte den Fiebertraum bis zur Neige, bis zur Selbstaufopferung – bis in den Tod. Das eben machte den Reiz seines Lebens aus: dass er jenseits gängiger, gefälliger Normen Spielräume erzwang und behauptete, die selbst an ihre Grenzen stießen und den Empörer so nicht länger halten konnten. Er fiel also – als Held. Sein strahlendes Konterfei verblasste folglich nicht. Die Furien des Zerfalls, ihn zugrunde richtend: hoben ihn höher als geahnt.Er war und blieb: sein eigenes Ende und sein eigener Anfang.

Ob das in dieser Betrachtung deutlich werden konnte? Ein wenig vielleicht. Oder auch etwas mehr. Das mag der Leser entscheiden. Von dem ich mich an dieser Stelle noch mit einem persönlichen Wort verabschieden möchte.

Die Beisetzung des Stars, der ein Dichter sein wollte und dies auch in der Sterbeurkunde attestiert bekam, fand am siebten Juli des Jahres 1971 im engsten Kreis auf dem Pariser Pere Lachaise statt. Mir war das lange Zeit gar nicht bekannt gewesen. Genau an diesem Tag freilich erblickte der Verfasser dieser Zeilen, zusammen mit seiner Schwester, das Licht der Welt. Zufall oder nicht: alles fügt sich, auch im Ungereimten. Das mag, im Ganzen und zum Schluss, gleichsam für diese lockere Betrachtung gelten, deren Credo vielleicht wie folgt am besten auf den Punkt gebracht werden darf: fühle dich in einen Menschen und sein Umfeld ein, dann fasst du mehr von beidem, als jedes bloßes Referat verrät…

Homo sum – Humani nil a me alienum puto

Verfasst im Sommer 2019, bei Gelegenheit füglich ergänzt und gerichtet.

Editorische Notiz

Soweit es sich um Jims Songtexte oder lyrische Notizen handelt, habe ich ganz bewusst auf eine Übertragung ins Deutsche bzw. eine Widergabe der bereits vorliegenden Versuche verzichtet. Dichtung wirkt, im Vergleich zur bloßen Prosa, im Original am stärksten und ursprünglichsten. Die bei Schirmer/Mosel erschienenen Fragmente wurden gelegentlich, der besseren Lesbarkeit wegen, entlang einzelner Absätze neu konturiert und in der Groß, – und Kleinschreibung korrigiert. Der Fundus fremdsprachiger, zumeist angelsächsischer Zitate (meist aus Gesprächen und Interviews herausgefiltert) liegt hingegen häufiger in deutscher Sprache vor. Hier war ich mir im Einzelnen nicht immer sicher, glaube aber, dass vor allem im Blick auf die Interviewauszüge der Zusammenhang mit dem laufenden, durchweg in deutscher Sprache abgefassten Text solcherart insgesamt besser hergestellt werden konnte. Die kursive Schreibweise beschränkt sich auf Jims Lyrics und die vorliegenden Doors-Texte/Titel/Alben sowie alle weiteren englischsprachigen Auszüge.

Verwendete Zeitformen, deren gelegentliche Wechsel manchem willkürlich anmuten mögen, entsprangen einem wesentlich gestalterischen Bedürfnis, das in dem Bemühen, Nähe und Abstand, Dringlichkeit oder Dauer eines Zusammenhangs zu betonen, auch zu unterschiedlichen Intensitäten in der Wahrnehmung dargestellter Sachverhalte beim Lesen (ver)führen mag.

Auf die in akademischen Kreisen übliche, kleinliche Art des Zitierens wurde ganz verzichtet. Nach meinem Empfinden verdirbt dieser Eingriff das ästhetische Empfinden, überhaupt die gelassene, genießende Lektüre, er hemmt den Lesefluss, was der Betrachtung insgesamt schadet. Stattdessen wurden die verwendeten oder berücksichtigten Quellen meist mittels einfacher Hinweise im laufenden Text belegt, diesem also locker eingefügt. Oft genügte mir die Nennung des jeweiligen Autoren, einer Sendung oder eines Magazins. Das musste reichen.

Unberücksichtigt blieb eine Sammlung schriftlicher Notizen, die am 08. Juni dieses Jahres erstmals unter dem Titel ´The collected works of Jim Morrison´ erschien.