Corona in Schweden: Deshalb bleibt die vierte Welle (noch) aus

Verkehrte Corona-Welt: Während die vierte Welle Deutschland fest im Griff hat und ein nächster Lockdown droht, bleibt Schweden von alledem augenscheinlich verschont. In keinem anderen europäischen Land ist die Inzidenz so niedrig und das, obwohl es seit Oktober keine Corona-Maßnahmen gibt. Doch wie kann Schwedens Inzidenz immer noch so niedrig sein?

Schwedens niedrige Inzidenz: Winterwelle hat das Land noch nicht erreicht

Seit Beginn der Pandemie wurde Schweden für seinen lockeren Umgang mit dem Coronavirus kritisch beäugt. Seit Oktober gibt es sogar gar keine Einschränkungen mehr und dennoch bleibt die Inzidenz (aktuell etwa 60) trotz der kalten Jahreszeit weiterhin auffällig niedrig. Laut focus.de brauchen derzeit "nur ungefähr 30 Covid-19-Erkrankte eine intensivmedizinische Betreuung – in Deutschland zurzeit unvorstellbar. Offensichtlich scheint Schweden von der harten Corona-Winterwelle verschont geblieben zu sein. Doch der Schein täuscht. Auch wenn Schwedens Chef-Epidemiologe Anders Tegnell die Situation als "überraschend stabil" bezeichnet, rechnen hinter den Kulissen viele Expertinnen und Experten längst mit einem Umschwung der aktuellen Corona-Lage.

Auch Tegnell schließt sich dieser Befürchtung an, wie ntv.de berichtete. Schließlich habe die Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass neue Corona-Wellen Schweden immer erst mit einer deutlichen Verzögerung erreicht haben – so auch jetzt. Man sei jetzt fünf bis sechs Wochen im Rückstand, so Tegnell. Doch nicht nur die zeitliche Verzögerung hält die schwedische Inzidenz auf einem niedrigen Niveau. Laut Schwedens Chef-Epidemiologe gibt es noch andere Faktoren, die den Schweden im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus in die Karten spielen.

Geringere Bevölkerungsdichte

Ein plausibler Grund, warum die Inzidenz in Schweden im Vergleich zu anderen europäischen Ländern so gering ist, sei laut Tegnell die geringe Bevölkerungsdichte. So ist Schweden mit knapp 25 Einwohnern pro Quadratkilometer laut Eurosat das am zweitdünnsten besiedelte Land Europas. Lediglich Schwedens Nachbar Finnland weist eine noch geringere Bevölkerungsdichte auf (18,2 Menschen pro Quadratkilometer). Zum Vergleich: Deutschland hat eine Bevölkerungsdichte von etwa 235. In den Niederlanden leben sogar 500 Einwohner pro Quadratkilometer. Da wir wissen, dass sich das Virus besonders schnell ausbreitet, wenn viele Menschen beisammen sind, klingt es naheliegend, dass Schwedens Inzidenz daher so niedrig ist.

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Doch wirft man einen Blick auf Schwedens Ballungsräume scheint das Argument zu bröckeln. Denn zum Beispiel hat die Provinz Stockholm mit 2,37 Millionen Einwohnern eine doch relativ hohe Bevölkerungsdichte (332) – mit entscheidenden Konsequenzen für die dortige Inzidenz. Denn wo viele Menschen leben, hat das Virus ein leichteres Spiel. So auch in Stockholm. Diese beträgt nämlich aktuell fast 238 Neuinfektionen. Das bedeutet: Landesweit mag die Inzidenz wegen der geringeren Bevölkerungsdichte besonders gering sein, doch Schwedens Ballungsräume verzeichnen verzeichnen weiterhin viele Neuinfektionen – Tendenz steigend!

Höhere Grundimmunität scheint nicht ausschlaggebend zu sein

Dass Schweden die vierte Corona-Welle wegen einer höheren Grundimmunität der Bevölkerung besser abfangen kann, glaubt Tegnell laut SWR allerdings nicht. Diese Vermutung führt er auf Erfahrungswerte aus Großbritannien zurück. "Ich weiß nicht – in Großbritannien beispielsweise hat sich ein ähnlich großer Teil der Bevölkerung mit dem Coronavirus infiziert. Das könnte möglicherweise im Vergleich mit Finnland oder Norwegen eine Rolle spielen, aber nicht, wenn wir Schweden mit Großbritannien vergleichen." Damit scheint Tegnell gar nicht so falsch zu liegen, denn tatsächlich haben sich in Großbritannien mehr Menschen mit dem Virus infiziert als in Schweden. Auch die Inzidenz ist deutlich höher. Sie liegt derzeit bei fast 400.

Verhalten der Menschen erklärt möglicherweise Schwedens niedrige Inzidenz

Doch warum bleiben die Neuinfektionen trotzdem immer noch auf einem niedrigen Niveau? Der Grund dafür sehen viele Expertinnen und Experten im Verhalten der schwedischen Bürgerinnen und Bürger. Denn schaut man einmal genauer hin, sind viele Menschen trotz der vielen Freiheiten weiterhin besonders vorsichtig. Aber auch die weniger strenge Corona-Politik der Regierung könnte hierbei einen größeren Einfluss haben, als viele vielleicht denken würden.

So sagt Schwedens Chef-Epidemiologe Tegnell: "Ich denke, das war der zentrale Punkt. Wir haben von Anfang an gesagt: Das hier wird ein Marathon und kein Sprint. Deswegen brauchen wir Maßnahmen, die über sehr lange Zeiträume funktionieren. Wir haben nie daran geglaubt, dass dieses ständige Öffnen und Schließen der Gesellschaft funktioniert. Uns war klar, dass das zu viele negative Effekte mit sich bringt." Daher wurden die Maßnahmen von den Bürger:innen auf Dauer auch akzeptiert und beherzigt.

Doch das war noch längst nicht alles. Tegnell erklärt weiter, dass viele schwedische Bürger:innen das Impfen als einen solidarischen Beitrag für die Gemeinschaft ansehen und sich daher eher für den Corona-Piks entscheiden als viele Deutsche. Darüber hinaus gibt es zudem weniger Impfgegner und so gut wie keine Querdenker, die die Wirksamkeit der Maßnahmen und der Impfung hinterfragen. Das zahle sich jetzt natürlich aus. Denn eine erfolgreiche Seuchenbekämpfung ist ohne die Gemeinschaft kaum möglich. Dennoch sollte man angesichts der besorgniserregenden Entwicklung in den anderen europäischen Ländern weiterhin vorsichtig sein und durchs Boostern die Impfquote möglichst hochalten.

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Im Kampf gegen das Coronavirus hat unser Nachbarland Österreich nicht nur einen bundesweiten Lockdown beschlossen, sondern hat zudem eine allgemeine Impfpflicht verhängt. Ein paar Menschen müssen sich ab Februar 2022 warm anziehen. Denn Impfverweigerern drohen bald hohe Strafen.

Sie möchten mehr zum Thema wissen? Dann lesen Sie gern hier weiter: Coronavirus. Sollte sich Deutschland im Kampf gegen das Coronavirus boostern lassen? Booster-Impfung gegen Corona: Was Sie zur 3. Spritze wissen müssen.

Quellen: swr.de, focus.de und ntv.de