Ruth Moschner über sexuelle Belästigung im Netz: "Solle mich geschmeichelt fühlen"

Sie erhält anstößige Fotos und Nachrichten, doch Ruth Moschner kann sich nicht wehren. Denn Facebook und Co. helfen der Polizei nicht bei den Ermittlungen. Nun schreibt die Moderatorin einen offenen Brief und erklärt t-online die Hintergründe.

"Ich hole mir gerade voll auf Koks einen darauf runter", "Dich würde ich gerne mal knallen", "Ich würde dich gerne in Ohnmacht f*****" – na, guten Morgen. Das sind Ausschnitte aus Nachrichten, die Moderatorin Ruth Moschner in den sozialen Medien erhalten hat. Allein steht sie damit nicht da.

Denn: Es ist ein leidiges Thema, welches viele Frauen – ob prominent oder nicht – im Netz beschäftigt: die sogenannten "Dickpics", also meist ungefragte Fotos von Geschlechtsteilen sowie anstößige Anmachen oder perverse Fantasien als Direktnachrichten. Die Moderatorin hat diesen Vergehen den Kampf angesagt. Immer wieder macht sie bei Instagram darauf aufmerksam und teilt, was mancher Follower ihr schickt. Es sind eben keine Kavaliersdelikte, sondern Straftaten. Einige der Nachrichten hat sie daher schon zur Anzeige gebracht. Genützt hat dies leider nichts.

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"Vieles wollte ich nicht an meine Anwältin weiterschicken"

Bisher habe sie eine zweistellige Zahl bei den Behörden angezeigt. "Das sind die, meiner Ansicht nach, schlimmsten Fälle innerhalb eines bestimmten Zeitraumes", so Ruth Moschner zu t-online. "Wobei ich auch ehrlich gestehe, viele Dickpics wollte und konnte ich einfach nicht an meine Anwältin weiterschicken, weil mir das selbst unangenehm war, jemand anderem so etwas ins Postfach zu 'legen'." Rechtliche Konsequenzen habe es für die Nachrichtenschreiber keine gegeben, allerdings stünden noch einzelne Anzeigen aus, erklärt die 45-Jährige.

Doch wieso hat diese Form der Belästigung keine Folgen? Aus einem einfachen Grund: Man konnte die Absender nicht ermitteln. Auch weil Facebook, Instagram und Co. nicht die Daten ihrer User herausgeben. Die geplante Erweiterung der NetzDG soll zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken beitragen. Mehr dazu lesen Sie hier. Doch dies geht nur schleppend voran. Facebook und Google haben bereits Klage dagegen eingereicht.

In diesem Video hier liest Ruth Moschner den Brief vor.

Die "The Masked Singer"-Raterin veröffentlicht daher jetzt einen offenen Brief an die Staatsanwaltschaft Berlin, Marco Buschmann und sein Bundesministerium für Justiz sowie Nancy Faeser und das Innenministerium. Der Inhalt: Moschners eigene Geschichte und ein dramatischer Appell.

"Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft war enttäuschend"

Moschner listete einige der Nachrichten auf, die ihr über Instagram geschickt wurden, zeigte diese bei der Polizei an. Ohne Erfolg! "Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft, dass die Ermittlungen im Hinblick auf meine Strafanzeige eingestellt werden, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte, war enttäuschend", so Moschner in dem Schreiben. Wütend habe sie allerdings erst die Akteneinsicht gemacht. Denn dort konnte sie lesen, dass die Staatsanwaltschaft lediglich ein paar Mails an Facebook schrieb, diese aber nie beantwortet worden sind, erklärt Moschner. Folge: Ermittlungen eingestellt.

Somit "bleiben die beleidigenden und mich zum Objekt sexueller Triebe degradierenden Nachrichten" ohne Konsequenzen für die Onlinetäter. An Behörden und Politik richtet sie sich mit einer simplen Bitte: "Ich appelliere daher an Sie: Bitte lassen Sie es nicht zu, dass in diesem Fall der Lobbyismus gewinnt und mir als Bürgerin kein Schutz gegen Netzkriminalität geboten wird, der meiner Ansicht nach genauso Konsequenzen drohen muss wie analogen Straftaten." Weiter fordert sie: "Gehen Sie der Sache so nach, wie es eine Straftat hier in Deutschland erfordert."

"Ich solle mich doch geschmeichelt fühlen ..."

Auf Anfrage von t-online erklärt sie, dass sie das Gefühl habe, dass diese Art der Nachrichten von Politik und Justiz bagatellisiert werden. Oft heiße es: "Ich solle mich doch geschmeichelt fühlen, oder auch nicht wundern, schließlich würde ich es ja mit meinem Verhalten provozieren und ich solle mich im Zweifel einfach nicht so haben."

Ihr geht es jedoch nicht nur um das Dickpic, welches sie bekommt, sondern um jegliche Form des Onlinehasses. "Wir sprechen hier auch von Mobbing, Morddrohungen, Stalking, Belästigung von transgender Frauen oder Männern, Homosexuellen, offen gelebten Rassismus oder Antisemitismus. Wer im Netz keine Konsequenz für seine Vergehen tragen muss, stumpft ab", so die Überlegung des TV-Stars.

Ihre große Sorge sei nun, dass Facebook und Google mit ihrer Klage gegen die geplante Erweiterung der NetzDG durchkommen. "Wieso zieht unser Staat nicht endlich die Konsequenz und übt mehr Druck auf die App-Betreiber:innen aus? Stattdessen müssen wir fürchten, dass die Netzwerke mit ihrer Klage gegen das NetzDG durchkommen." Ob sich die neue Ampelkoalition durchsetzen kann? "Das hoffe ich sehr. Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich verzweifelt", so Moschner.