Metaverse: Zwischen Vision und Fiktion - Welche Aktien die besten Chancen bieten

Der nächste Phase der digitalen Revolution hat begonnen. Was die neue Welt bringt, welche Aktien die besten Chancen bieten. Von Florian Hielscher, Euro am Sonntag


Umgerechnet 4,3 Millionen Euro, so viel war das Grundstück dem amerikanischen Investor Republic Realm wert. Das Gut liegt nicht etwa in New York oder Los Angeles, sondern in der virtuellen Welt "The Sandbox", in der die Nutzer spielen, bauen und virtuelle Güter handeln können. Nach eigener Beschreibung ist The Sandbox ein virtuelles Metaverse. Diese neue Dimension der digitalen Welt gilt als potenzieller Billionenmarkt der Zukunft.

Die Bezeichnung Metaverse setzt sich aus der griechischen Vorsilbe meta, die nach oder jenseits bedeutet, sowie verse, was für Universum steht, zusammen. Viele CEOs großer Technologieunternehmen benutzen den Begriff, wenn sie über ihre Zukunftsvisionen berichten. Dabei ist der Begriff keine Neuschöpfung des Silicon Valley, sondern stammt aus dem bereits im Jahr 1992 erschienenen Science-Fiction-Roman "Snow Crash" des amerikanischen Autoren Neal Stephenson. Darin beschreibt dieser eine Welt, in der sich Menschen in eine Parallelwelt flüchten, um Gewalt und Armut zu entfliehen. In dieser virtuellen Welt bewegen sie sich als Avatare, also künstliche Verkörperungen der Nutzer, in einem virtuellen, dreidimensionalen Raum und bestreiten dort ihr Leben. Auch eine eigene Währung gibt es.

Eine solche Welt schien damals reine Fiktion, doch in Zeiten rasanten technischen Fortschritts könnte sie schneller Realität werden als gedacht. Auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat große Pläne: "Wir glauben, dass das Metaverse der Nachfolger des mobilen Internets sein wird."

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Immer mehr Unternehmen stellen Pläne zum Metaverse vor, schließlich könnte dieses ein enormer Markt der Zukunft werden. Zum ökonomischen Potenzial gibt es unterschiedliche Prognosen: Dem Marktforschungsunternehmen Vantage Market Research zufolge könnte das Metaverse bis 2028 ein potenzielles Umsatzniveau von 800 Milliarden Dollar erreichen. Analysten von Morgan Stanley prophezeien ein jährliches Marktpotenzial von etwa acht Billionen Dollar. Dies wäre mehr als das Doppelte des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus dem Jahr 2020. Bei diesen Zahlen wird deutlich, warum viele Unternehmen, allen voran die großen Techkonzerne, an der Umsetzung des Metaverse arbeiten, obwohl die Entwicklung und weitreichende Nutzbarkeit noch Jahre in der Zukunft liegen dürften.

Ein Beispiel ist der Meta-Konzern: Zuckerberg änderte den Namen der Unternehmens-Holding von Facebook zu Meta Platforms, kurz Meta. Für die neue Ausrichtung auf virtuelle Welten sollen allein in Europa 10.000 neue Jobs geschaffen werden. Mit dem Unternehmen Oculus übernahm der Zuckerberg- Konzern bereits 2014 ein Unternehmen, das Headsets für Virtual Reality (VR) herstellt. Bei der Nutzung wird die reale Welt ausgeblendet, die Nutzer dringen mittels VR-Brille komplett in die künstliche Welt ein.

Kampf der Techriesen

Auch die Konkurrenz will angesichts des Marktpotenzials mitmischen. Immer wieder gibt es Gerüchte, Apple könnte schon bald eigene Hardware im Bereich der virtuellen Welten herausbringen. Diese könnte neben Virtual Reality auch die Nutzung der Augmented Reality (AR) ermöglichen.

Bei dieser "erweiterten Realität" wird die Wahrnehmung der realen Welt um virtuelle Elemente ergänzt. Die Nutzer tauchen also nicht vollständig in die virtuelle Welt ein, sondern nehmen durch AR-Brillen oder ähnliche Geräte zusätzliche virtuelle Elemente auf. So könnten beispielsweise während eines Städtetrips zusätzliche Informationen zu Orten und Gebäuden eingeblendet werden. Viele haben damit bereits erste, wenn auch rudimentäre Erfahrungen gemacht: Das 2016 veröffentlichte Spiel "Pokemon Go" ermöglichte es Nutzern, die beliebten Taschenmonster über Mobilgeräte in der echten Welt zu sehen und zu fangen. Plötzlich sitzt ein virtuelles Pikachu im eigenen Wohnzimmer oder ein Taubsi mitten im Park auf der Wiese.

Für eine umfassende Nutzererfahrung wird neben umfangreicher Software und VR-fähigen Brillen starke Hardware benötigt, damit die technischen und grafischen Anforderungen des Metaverse bewältigt und komfortabel nutzbar gemacht werden können. Dazu zählen vor allem leistungsstarke Chips und Prozessoren sowie Grafikkarten. Da das Metaverse aus riesigen digitalen Welten bestehen soll, bedarf es zu deren Erstellung und Nutzung enormer Rechenleistung. Die dafür notwendigen Halbleiter und Grafikprozessoren könnten beispielsweise von Nvidia kommen. Jedoch wollen auch andere Unternehmen der Branche wie Intel oder TSMC von der für das Metaverse notwendigen Aufrüstung im Bereich Hardware profitieren.

Enorme Finanzkraft

Angesichts der prognostizierten Marktgröße stellt sich die Frage, wie mit dem Metaverse neben dem Verkauf von VR- und AR-fähigen Geräten und Brillen Geld zu verdienen ist. Der Grundstein dafür liegt in der Möglichkeit, wie im realen Leben auch in den spiele-ähnlichen Welten Besitz zu haben.

Möglich wird dies durch die Blockchain. Diese Technologie fungiert als eine Art gemeinsam genutzte Datenbank, durch die Informationen dezentral und fälschungssicher übermittelt werden können. Dadurch kann auch der Besitzer von virtuellen Gütern klar bestimmt werden. Ein solches Gut bezeichnet man als Non-Fungible Token (NFT), also nicht ersetzbares digital geschütztes Gut.

Bei NFTs kann es sich um ganz verschiedene Objekte handeln, beispielsweise Krypto-Kunst oder auch nur eine animierte Katze. Lediglich digital muss der Gegenstand sein. Nutzer können auch selbst Gegenstände herstellen und verkaufen. Genau wie im Roman von Neal Stephenson werden auch hier eigene Währungen verwendet.

Für Online-Spielewelten wie The Sandbox und "Decentraland" existieren jeweils gleichnamige Kryptowährungen, die auf der bekannten Kryptowährung Ethereum basieren. Diese virtuellen Güter wechseln teils für horrende Summen den Besitzer: Ein anonymer Nutzer kaufte eine Megayacht in der Welt von The Sandbox und bezahlte dafür etwa 150 Ether (Münze der Krypto-Währung Ethereum) - diese hatten zum Zeitpunkt der Transaktion einen Wert von mehr als 570.000 Euro.

Den Spieleentwicklern wird bei der Entwicklung des Metaverse eine große Rolle zukommen. Einer davon könnte Roblox werden. Das US-Unternehmen betreibt eine der beliebtesten Spieleplattformen und hat täglich 50 Millionen Nutzer. Ziel ist der Aufbau einer virtuellen Welt, in der sämtliche Güter, von Grundstücken und Häusern bis hin zu Haustieren, gekauft und gehandelt werden können. Neben Roblox arbeiten auch andere Unternehmen der Gaming-Branche an Entwicklungen in Richtung Metaverse.

Eines davon ist das US-Unternehmen Epic Games, ein Anbieter von Software und Spielen und vor allem für den globalen Spiele-Hit "Fortnite" bekannt. "Fortnite" und Roblox zählen bei der jungen Generation zu den beliebtesten Anwendungen und werden entsprechend intensiv genutzt.

Großaktionär bei Epic Games ist der chinesische Internetriese Tencent, der wiederum unzählige Beteiligungen an weiteren Unternehmen hält. Dazu zählen unter anderem Spieleanbieter und das Social-Media-Unternehmen Snapchat, welches laut einer Studie von Goldman Sachs eine führende Rolle im Bereich von Augmented Reality einnimmt.

Auch Zuckerberg positioniert seinen Konzern im Bereich Gaming. Vor Kurzem veröffentlichte Meta in den USA das Spiel "Horizon Worlds", ein Virtual-Reality-Spiel, in dem Nutzer nicht nur bestehende Welten erkunden können, sondern auch eigene Elemente erstellen und sich mit anderen Spielern zusammentun können, um beispielsweise Abenteuer gemeinsam zu erleben. Laut Website von Oculus, deren VR-Brillen für das Spiel genutzt werden können, sollen Nutzer nicht nur Zuschauer sein, sondern ein Teil des Ganzen.

Virtuelle Konzerte

Dabei geht es längst nicht mehr nur darum, ein Spiel zu spielen, die Möglichkeiten sollen deutlich weiter reichen. Virtuelle Konzertbesuche echter Künstler sollen möglich werden. Ein Anfang dafür fand bereits in der Gegenwart statt: Nachdem pandemiebedingt die Live-Tour des US-Rappers Lil Nas X nicht stattfinden konnte, gab dieser in der Welt von Roblox ein virtuelles Konzert, bei dem die Zuschauer während der Songs in verschiedenen Landschaften versetzt wurden.

Auch Unternehmen aus dem Unterhaltungsbereich entdecken das Potenzial und streben ins Metaverse. So unterstützt der japanische Entertainment-Konzern Sony den Spieleentwickler Epic Games mit rund 200 Millionen Dollar bei einem milliardenschweren Projekt zur Metaverse-Entwicklung. Sony könnte anschließend sein Playstation-Netzwerk zur Verbreitung der Software nutzen. Die Japaner wollen aber auch mit eigenen VR-Brillen beim Thema Metaverse mitspielen.

Freizeit und Arbeiten im Metaverse

Auch Disney will im künftigen Megatrend eine große Rolle spielen. Seine starken Franchises ermöglichen es dem Konzern, durch Verschmelzung von realen und virtuellen Elementen vollkommen neue Formen der Unterhaltung zu generieren. So wäre beispielsweise ein virtuelles Disneyland oder die Erweiterung der bestehenden Themenparks um AR-Elemente denkbar. Auch der hauseigene Streaming-Dienst Disney+ bietet Potenzial und könnte in Zukunft zur Metaverse-Plattform des Unternehmens ausgebaut werden.

Doch nicht nur Freizeitvergnügen soll im Metaverse stattfinden, auch das Arbeiten könnte sich dorthin verlagern. Konferenzen sollen zukünftig über Avatare in virtuellen Konferenzräumen abgehalten werden. Microsoft hat hierfür bereits einen Ansatz vorgestellt, der die während Corona zahlreich gewordenen Videokonferenzen weiterentwickeln soll. Das Konzept nennt sich "Microsoft Mesh" und stellt eine Art Weiterentwicklung von Microsoft Teams dar, wodurch Meetings in den virtuellen Raum verlagert werden können. Mittels VR- oder AR-Headsets erscheinen die Gesprächspartner als Avatare in einer virtuellen Umgebung. Auch ohne entsprechende Headsets soll die Nutzung ermöglicht werden, dann sieht man seine Kollegen jedoch nur als Avatare in der klassischen Videokonferenz-Ansicht und kann mit diesen interagieren. Verglichen mit Zukunftsvisionen für das Metaverse, klingt dies nicht so spektakulär, dafür soll Microsoft Mesh bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 verfügbar werden.

Das Metaverse könnte das gesellschaftliche Zusammenleben revolutionieren, sofern die dafür notwendigen Entwicklungen gelingen und eine ausreichende Akzeptanz entsteht. Es hat das Potenzial, die Art des Arbeitens und anderer gesellschaftlicher Zusammenkunft stark zu verändern, indem reale Erlebnisse in virtueller Form zu großen Teilen nachgeahmt werden. Gänzlich nachbilden oder gar überflüssig machen wird es diese aber wohl nicht.