In Frankreich steigt die Zahl der Corona-Infektionen weiter deutlich an. Bei den neuen Maßnahmen gegen die Pandemie geht die Regierung dieses Mal anders vor als im Frühjahr.
Update, Dienstag, 15.09.2020, 08:40 Uhr: Marseille ist die drittgrößte Stadt Frankreichs, im Großraum leben rund 1,7 Millionen Menschen. Sie war während der Krise im Frühjahr vergleichsweise glimpflich davongekommen, anders als das Grenzgebiet zu Deutschland und der Großraum Paris.
Doch nun ist sie der größte französische Corona-Hotspot vor Bordeaux: Die öffentlichen Krankenhäuser von Marseille haben die Zahl der Notfallbetten für Corona-Patienten auf 139 aufgestockt, es gibt 32 Beatmungsplätze. Ein großer Teil ist bereits belegt. Die entscheidende Frage sei, „wie groß die zweite Welle wird“, sagen Ärtzte. „Anders als im März können wir nicht auf eine Ausgangssperre setzen, um den Anstieg abzuschwächen.“
Vor allem junge Leute setzen sich über die Hygieneregeln hinweg. Für Kopfschütteln sorgten Fernsehbilder hunderter Fans des Fußball-Erstligisten Olympique Marseille, die am alten Hafen den Sieg über Paris feierten - ohne Sicherheitsabstände, teils ohne Schutzmasken und unbehelligt von der Polizei.
Zudem haben die französischen Behörden große Probleme mit der Nachverfolgung der Infektionswege. Mit mehr als einer Million Corona-Tests pro Woche sind Frankreichs Labore überlastet, Getestete warten bis zu eine Woche auf ihre Ergebnisse. Viele Infizierte halten aus Angst vor Jobverlust die Quarantäne nicht ein. Um eine höhere Akzeptanz zu erreichen, hat die Regierung die Isolationszeit gerade erst von 14 auf sieben Tage verkürzt.
Anders als Deutschland hält Frankreich seine Grenzen zur EU überdies offen. Noch nicht einmal für den besonders betroffenen Nachbarn Spanien gibt es eine Reisewarnung.
In Marseille und Bordeaux haben die Behörden nun die Notbremse gezogen: Versammlungen mit mehr als tausend Teilnehmern sind verboten, Besuche in Altenheimen werden eingeschränkt. Ob die neuen Maßnahmen ausreichen, ist unklar. Viele fürchten bereits einen neuen Lockdown.
WHO: „Es wird härter werden“
Update vom Montag, 14.09.2020, 12.50 Uhr:Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechnet mit einer Zunahme der täglichen Corona-Todesfälle in Europa im Oktober und November. „Es wird härter werden“, sagte der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge, der AFP am Montag. Derzeit steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Europa an, die Zahl der täglichen Todesfälle ist hingegen bisher relativ stabil geblieben.
Die Welt wolle derzeit solche schlechten Nachrichten nicht hören, „und ich verstehe das“, sagte Kluge. „Doch im Oktober und November werden wir einen Anstieg der Sterblichkeit beobachten“. Der in Kopenhagen ansässige WHO-Funktionär warnte davor, zu große Erwartungen in Impfstoffen zu setzen. „Ich höre die ganze Zeit: ‚Der Impfstoff wird das Ende der Pandemie sein‘. Natürlich nicht!“, sagte der Belgier.
Frankreich: Überblick über Corona-Neuinfektionen verloren
+++ 11.40 Uhr: Die Corona-Situation in Frankreich hat sich zuletzt deutlich verschlechtert. Nun veröffentlichte die Zeitung „Le Journal du Dimanche“ einen Appell von sechs prominenten Ärzten, Kontakte mit Familien und Freunden so gering wie möglich zu halten und private Treffen zu vermeiden. „Nach und nach verlieren wir den Überblick über die Neuinfektionen“, schrieben die sechs - darunter die Spezialistin für Infektionskrankheiten, Anne-Claude Crémieux, und der Professor für öffentliche Gesundheit, Philippe Amouyel. Je kleiner ein Raum sei, je mehr Leute sich darin befänden und je schlechter die Lüftung, umso größer sei das Risiko einer Ansteckung, warnten sie.
Frankreich war nach Ausbruch der Pandemie eines der am stärksten betroffenen Länder in Europa mit bisher 30.910 Toten. Die Anzahl der Infektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 stieg in dem beliebten Urlaubsland in den zurückliegenden Wochen stark. Zuvor war sie einen Gutteil des Sommers relativ niedrig gewesen nach einem 55-tägigen Lockdown, der vom 17. März bis 11. Mai gegolten hatte.
Frankreich: Neuer Rekord an Infektionen binnen 24 Stunden seit der Ausweitung der Tests
Update vom Sonntag, 13.09.2020, 7.25 Uhr: In Frankreich sind mehr als 10.000 Neuinfektionen mit dem Coronavirus binnen 24 Stunden verzeichnet worden. Wie das Gesundheitsministerium in Paris mitteilte, wurden seit dem Vortag 10.561 neue Coronavirus-Ansteckungsfälle erfasst - ein neuer Rekord seit der deutlichen Ausweitung der Tests auf das neuartige Virus.
Zudem wurden bis Samstagabend weitere 17 Todesfälle in Krankenhäusern als Folge einer Coronavirus-Infektion gezählt, womit die offizielle Gesamtzahl der Todesopfer im Land auf 30.910 stieg.
Unterdessen beendete Premierminister Jean Castex seine freiwillige Quarantäne, die er sich nach Kontakt zum infizierten Direktor der Tour de France, Christian Prudhomme, auferlegt hatte. Auch ein zweiter Corona-Test bei Castex sei negativ ausgefallen, teilte die Regierung mit.
Frankreich setzt auf lokale Maßnahmen: Corona-Infektionszahlen erreichen neue Höchststände
Update vom Samstag, 12.09.2020, 7.10 Uhr: Die Corona-Zahlen in Frankreich bewegen sich seit Ende August auf hohem Niveau. In den vergangenen Tagen wurden binnen 24 Stunden immer wieder knapp 10.000 neue Infektionen verzeichnet. Am Freitag waren es 9400. Premierminister Jean Castex sprach von einer „deutlichen Verschlechterung“ der Situation. Der Corona-Warnwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche ist im Landesschnitt mit 72 Fällen deutlich überschritten. Als besonders kritisch gilt die Lage in der Hafenstadt Marseille mit 275 Fällen. In Paris sind es aktuell 144 Fälle. Deutschland warnt aktuell vor Reisen in sieben französische Festlandsregionen, neben Paris und der Côte d’Azur kam zuletzt auch der Südwesten dazu.
Angesichts der massiv gestiegenen Corona-Infektionszahlen will Frankreich alles tun, um einen neuen landesweiten Lockdown zu vermeiden. Castex sagte nach einer Krisensitzung unter Leitung von Präsident Emmanuel Macron, es werde vorerst keine „allgemeinen Ausgangsbeschränkungen“ geben. Nach Angaben des Regierungschefs sollen zudem Corona-Tests für Menschen mit Symptomen oder Gesundheitspersonal Vorrang haben. Vielerorts müssen Testwillige derzeit lange Schlangen in Kauf nehmen, oft liegen die Ergebnisse erst nach mehreren Tagen vor. Castex sagte zudem 2000 neue Einstellungen bei überlasteten Gesundheitsämtern und Krankenkassen zu.
Die Dauer der Quarantäne wurde auf 7 Tage verkürzt. Damit soll für eine bessere Akzeptanz geworben werden. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums halten viele Franzosen die Selbstisolation nicht ein. „Es ist unerlässlich, dass sich alle strikt an diese Zeit der Isolation halten, die einer Kontrolle unterliegen wird“, warnte der Premier. Castex äußerte sich bei einer Fernsehansprache ohne Publikum. Der Premier ist selbst in freiwilliger Quarantäne, weil er Kontakt zum infizierten Direktor der Tour de France, Christian Prudhomme hatte. Ein erster Corona-Test bei Castex fiel negativ aus.
Der Leiter der Notfallaufnahme im Pariser Krankenhaus Georges Pompidou, Philippe Juvin, äußerte im Sender BFM-TV die Befürchtung, dass in Risikogebieten „in zwei bis drei Wochen wieder 50 Prozent der Beatmungsplätze belegt“ sein könnten. Mit mehr als 30.800 Todesopfern ist Frankreich eines der am stärksten betroffenen Länder in Europa.
Corona in Frankreich: Fast 10.000 Neuinfektionen pro Tag - jetzt 42 Departements Risikogebiet
+++ 18.25 Uhr:Angesichts steigender Corona-Zahlen hat Frankreichs Premierminister Jean Castex besonders schwer getroffene Regionen aufgefordert, bis Montag neue Maßnahmen im Kampf gegen das Virus vorzulegen. Dazu zählen die Städte Marseille und Bordeaux sowie das Überseegebiet Guadeloupe, wie Castex am Freitagabend nach einer Sitzung des Verteidigungsrats in Paris sagte. Zugleich mahnte er, Abstandsregeln einzuhalten. „Das Virus zirkuliert mehr und mehr in Frankreich. Das Morgen hängt von Ihnen ab, von uns.“
Viele Franzosen hatten die Verhängung strengerer Regeln erwartet - etwa regionale Ausgangsbeschränkungen oder Schließungen von Restaurants. Stattdessen appellierte Castex nun vorrangig an das Verantwortungsbewusstsein seiner Landsleute.
Castex kündigte an, dass die Quarantänezeit für Corona-Kontaktpersonen von 14 auf 7 Tage verkürzt wird. Außerdem gelten nun insgesamt 42 Départements als Risikogebiete. Zuvor waren es knapp 30. Das heißt, dass die Behörden vor Ort die Möglichkeit haben, Maßnahmen zu ergreifen, die das öffentliche Leben einschränken. Zu diesen sogenannten roten Zonen zählen etwa der Großraum Paris und weite Teile der Mittelmeerküste.
+++ 13.30 Uhr: Angesichts einer Rekordzahl von Corona-Neuansteckungen zeichnen sich in Frankreich verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ab. Das Kabinett beriet darüber am Freitag bei einer Krisensitzung unter Leitung von Präsident Emmanuel Macron. Kurz zuvor hatte die nationale Gesundheitsbehörde einen neuen Höchststand von fast 10.000 neuen Corona-Fällen innerhalb eines Tages bestätigt - fast sieben Mal so viele wie in Deutschland. Als schärfstes Mittel gelten neue Ausgangsbeschränkungen, dagegen gibt es jedoch Widerstand.
Ausgangsbeschränkungen drohen - fast 10.000 Neuinfektionen täglich
Update vom Freitag, 11.09.2020, 06.40 Uhr: Vor Beratungen der französischen Regierung über eine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen ist in dem Land der höchste Anstieg von fast 10.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden verzeichnet worden. Wie das Gesundheitsministerium in Paris am Donnerstag mitteilte, wurden seit dem Vortag 9843 neue Coronavirus-Ansteckungsfälle erfasst. Dies ist die höchste Zahl in Frankreich seit dem Beginn der Pandemie.
Zudem wurden weitere 19 Todesfälle als Folge der Coronavirus-Infektion gezählt, womit die offizielle Gesamtzahl der Todesopfer im Land auf 30.813 stieg. Frankreich ist eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder in Europa. Insgesamt rund 390.000 Infektionsfälle wurden dort bislang verzeichnet. Zuletzt wurden die Tests auf das Virus deutlich ausgeweitet. Dabei wurden bei einer Million Tests innerhalb einer Woche 48.542 Ansteckungen festgestellt.
Frankreich berät über Verschärfung der Corona-Maßnahmen
+++ 21:30 Uhr: Die französische Regierung berät am Freitag (11.09.2020) über eine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen. Der wissenschaftliche Beirat drängt die Regierung wegen der seit Wochen steigenden Infektionszahlen zum Handeln. Präsident Emmanuel Macron warnte vor der Sondersitzung aber vor „Panik“.
Zuletzt hatte die französische Gesundheitsbehörde mehr als 8500 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden bestätigt, gut vier Mal so viele wie in Deutschland. Als schärfstes Mittel zur Eindämmung des Virus gelten Ausgangsbeschränkungen, wie sie in Frankreich bereits zwischen März und Mai galten. In Unternehmen und den meisten Schulen des Landes gilt bereits eine Maskenpflicht. In Paris und anderen französischen Großstädten muss der Mund-Nasen-Schutz zudem auch im Freien getragen werden.
+++ 19.58 Uhr: Frankreichs Wirtschaft erholt sich langsam wieder. Nachdem mehrere Corona-Beschränkungen aufgehoben wurden, soll das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Quartal um etwa 17 Prozent steigen, berichtet die Nachrichtenseite „France 24“, die sich auf die Zahlen des Nationalen Instituts für Statistik und Wirtschaftsstudien (Insee) bezieht. Die Lockerung von Maßnahmen soll zu der wirtschaftlichen Erholung in mehreren Branchen beigetragen haben. Die Luftfahrt-, sowie die Kultur- und Unterhaltungsindustrie leiden jedoch weiter unter der Corona-Pandemie.
Corona in Frankreich: Regierung will bei Konjunkturprogrammen mit Deutschland arbeiten
Die französische und deutsche Regierung wollen in der Corona-Krise bei Konjunkturvorhaben enger zusammenarbeiten, wie der „Bayerische Rundfunk“ berichtet. Das beschlossen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, sowie sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire bei einem Treffen in Berlin. Im Fokus stehen dabei grüne Industrie- und Energieprojekte, die Europas Wirtschaft langfristig transformieren sollen.
Corona in Frankreich: Regierung erklärt weitere Departements zu Risikogebieten
Update vom Donnerstag, 10.09.2020, 12:35 Uhr: Die Regierung in Frankreich hat sieben Departements zu neuen Corona-Risikogebieten erklärt. Damit zählen 28 der rund 100 Departements zu „rote Zonen“. Neben den vier Departements Nord, Bas-Rhin, Seine-Maritime und Côte-d‘Or sind auch die Verwaltungsbezirke auf der Mittelmeerinsel Korsika und das Übersee-Departement auf der Insel La Réunion im Indischen Ozean betroffen. Deutschland hat eine Reisewarnung für die Pariser Region sowie die Côte d’Azur und die Provence ausgesprochen.
+++ 22.25 Uhr: Das Coronavirus macht Frankreich weiter zu schaffen. 8577 Menschen infizierten sich nach Angaben des Gesundheitsministeriums binnen 24 Stunden mit dem Coronavirus, das ist der zweitgrößte Zuwachs seit Beginn der Krise in dem Land. Insgesamt haben sich in Frankreich nachweislich 344.101 Menschen mit dem Coronavirus angesteckt. Die Zahl der Todesopfer erhöhte sich um 30 auf 30.794.
Corona-Krise: Lage in Frankreich „beunruhigend“
+++ 16.00 Uhr: Frankreichs führende Corona-Experten drängen angesichts der massiv steigenden Infektionszahlen zum Handeln. Die Regierung müsse „eine Reihe schwieriger Entscheidungen“ zum Schutz von Risikogruppen treffen, betonte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats, Jean-François Delfraissy. Er nannte die Lage im Land „beunruhigend“.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat für Freitag eine Kabinetts-Sondersitzung einberufen, um über verschärfte Corona-Maßnahmen zu beraten. Delfraissy sagte dazu, die Lage in Frankreich sei „nicht mehr weit“ von der in Spanien entfernt.
Als schärfstes Mittel gelten Ausgangsbeschränkungen, wie sie bereits zwischen März und Mai in Frankreich galten. Davor schreckt die Regierung wegen der wirtschaftlichen Folgen aber bisher zurück.
Delfraissy verwies insbesondere auf die schwierige Lage in der Region um die Provence und die Côte d'Azur. Deutschland hat eine Reisewarnung für die Region ausgesprochen, ebenso wie für den Großraum Paris. Als besonders kritisch gilt der Anstieg der Corona-Zahlen in der Hafenstadt Marseille. Die Krankenhäuser kündigten dort eine Aufstockung der Intensivbetten an, da bereits die meisten Plätze zur künstlichen Beatmung belegt sind.
Verkürzung der Quarantäne in Frankreich und Italien?
Update Mittwoch, 09.09.2020, 11.20 Uhr: Nach den Überlegungen Frankreichs zur Verkürzung der Quarantänezeit für Corona-Infizierte diskutiert auch Italien eine solche Maßnahme. „Wenn wir die Quarantäne verkürzen sollten, würden sich auch die sozialen und wirtschaftlichen Kosten reduzieren“, sagte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte. Die Verkürzung der Quarantäne von 14 auf sieben Tage sei eine „wichtige Perspektive“.
Der französische Gesundheitsminister Olivier Véran hatte am Dienstag gesagt, dass diese Option in Frankreich geprüft werde. Eine Entscheidung soll in Paris am Freitag getroffen werden.
Lange Quarantäne ist übertrieben
Der Lungen-Facharzt Luca Richeldi, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des italienischen Gesundheitsministeriums, sagte: „Das ist eine Entscheidung, die sehr wahrscheinlich auch in Italien in Erwägung gezogen wird, vor allem, weil es großen Einfluss darauf hätte, die Quarantäne-Maßnahmen zu vereinfachen.“
Nach Ansicht zahlreicher italienischer Experten ist eine Verkürzung der Quarantänezeit bei einer Corona-Infektion ohne Symptome sinnvoll. „14 Tage Isolation zu empfehlen, hatte zu Beginn der Pandemie Sinn und war richtig, weil wir nichts über dieses Virus wussten“, sagte Mario Clerici, Immunologie-Professor an der Universität Mailand, dem „Corriere della Sera“ (Mittwoch). „Heute kennen wir das Virus sehr viel besser und eine so lange Quarantäne ist übertrieben, vor allem für die Infizierten ohne Symptome.“
Corona: Zweite Welle - Wie ernst ist die Lage in Frankreich, Italien und Spanien?
Paris - Italien, Spanien, Frankreich - sie waren im Frühjahr Brennpunkte der Corona-Krise, die mit am schwersten von der Pandemie getroffenen Länder in Europa. Tägliche Neuinfektionen im vierstelligen Bereich, zahlreiche schwere Verläufe und zehntausende Tote prägten die Länder, Italien allen voran. Allmählich bekamen sie durch teils strenge Anordnungen und Lockdowns das Infektionsgeschehen soweit in den Griff, dass die Kurven abflachten.
Doch mit zunehmenden Lockerungen und dem Beginn der Urlaubszeit stehen Frankreich, Spanien und Italien vor einer zweiten Corona-Welle. In Madrid spitzt sich die Lage zu und auch in Italien gibt es so viele Neuinfektionen wie seit Monaten nicht mehr. Seit Anfang Juli ploppen in ganz Spanien wieder Hotspots auf, mittlerweile stuft das Robert-Koch-Institut (RKI) das ganze Land als Risikogebiet ein. Auch in Frankreich nimmt die Zahl der täglichen Neuinfektionen seit Mitte Juli wieder rasant zu. Die Regionen Île-de-France inklusive der Hauptstadt Paris und Provence-Alpes-Côte d’Azur gelten seit dem 24. August als Risikogebiet. Doch warum schnellen die Zahlen in diesen Ländern erneut in die Höhe?
Corona in Europa: Anstieg in Deutschland nicht so stark wie etwa in Frankreich
Zu beachten ist dabei, ebenso wie bei der Beurteilung der Situation in Deutschland, dass die Zahl der Tests enorm zugenommen hat und die Altersverteilung eine andere ist. Was bedeuten die Werte - und wie lange bleibt Deutschland noch relativ verschont? Eine Prognose, bis zu welcher Grenze sich die Zahl der Corona-Neuinfektionen hierzulande noch kontrollieren lässt und wann eine massenhafte Ausbreitung beginnt, ist dem Berliner Virologen Christian Drosten zufolge kaum möglich. „Das ist ganz schwer einzuschätzen, ab wann das passiert“, hatte er kürzlich im NDR-Podcast gesagt. Klar sei, dass es zu einem schlagartigen Effekt, einem Schwelleneffekt kommen könne.
Von Land zu Land beeinflussten Faktoren wie die mittlere Familiengröße und die Mobilität der Bevölkerung das Geschehen aber unterschiedlich. „Und darum kann ich jetzt nicht sagen: Hier ist der Schwellenwert.“ In Frankreich zum Beispiel sei diese Grenze womöglich überschritten. Doch warum dort und nicht in Deutschland? Denkbar sei, dass das Infektionsgeschehen hierzulande über den Sommer auf ein niedrigeres Grundlevel gedrückt worden sei, so Drosten.
Corona in Frankreich, Spanien und Italien: Viele Infektionen bei jungen Menschen
Derzeit kommen in Frankreich mit seinen rund 67 Millionen Einwohnern täglich etwa 6000 Neuinfektionen hinzu. Das bisherige Maximum war Ende März mit rund 7500 neu erfassten Fällen binnen eines Tages vermeldet worden. Allerdings ist wie in vielen Ländern auch die Zahl der Tests immens gestiegen: Wurden Ende Mai binnen einer Woche noch weniger als 40.000 Menschen getestet, waren es in der Woche vom 24. bis 30. August mehr als 850.000. Die Rate positiver Tests lag zuletzt bei gut vier Prozent.
Wie in anderen Ländern Europas stecken sich derzeit auch in Frankreich verstärkt junge Erwachsene mit Sars-CoV-2 an, nach Behördenangaben hauptsächlich bei Feiern und Urlaubsreisen. Daher ist die Zahl der im Krankenhaus behandelten Patienten vergleichsweise gering: Stand Montag (07.09.2020) waren 4907 Menschen wegen Covid-19 im Krankenhaus, davon 537 auf einer Intensivstation.
In Italien sieht es ganz ähnlich aus: Das Durchschnittsalter der erfassten Infizierten lag in Italien zuletzt bei 32 Jahren (24. bis 30. August). Am 24. März hatte es bei 63 Jahren gelegen. Stand Montag (07.09.2020) wurden lediglich 1719 Infizierte im Krankenhaus behandelt, 142 auf der Intensivstation. Im März (Stichtag 21.03.2020) lagen 17.708 Menschen mit Corona-Symptomen im Krankenhaus - fast die Hälfte der bekannten Infizierten zum damaligen Zeitpunkt. 2857 wurden auf der Intensivstation behandelt.
Corona in Frankreich, Spanien und Italien: Viele Fälle dank vieler Tests
Auch hier stieg die Zahl der Tests stark: von rund 195.600 in der Woche vom 23. bis 29. März - in dieser Woche gab es den größten Anstieg an Neuinfektionen in Italien - auf inzwischen etwa 633.000 (31. August bis 6. September). Rund 1,5 Prozent fallen derzeit positiv aus - zum Zeitpunkt des Maximums im Frühjahr waren es fast 20 Prozent.
In Spanien mit seinen knapp 47 Millionen Einwohnern bereitet vor allem die Situation in der Region Madrid Sorgen. Seit Ende Juni steigt die Zahl der landesweiten Neuinfektionen wieder an, Anfang des Monats wurden mehr als 4500 Neuinfektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Das bisherige Maximum lag bei 9222 Fällen am 31. März. Spanien macht zurzeit nach Angaben des Gesundheitsministeriums knapp 50.000 Tests pro Tag, Ende März waren es etwa 200.000 pro Woche.
Auch wenn die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Deutschland derzeit nicht in dem Maße ansteigt wie etwa in Frankreich, Spanien oder Italien, kann sich das rasch ändern. „Was jetzt bei jüngeren Menschen passiert, wird in wenigen Wochen bei älteren Menschen passieren“, hatte Anders Johansson, Experte für Infektionskrankheiten an der Universität Umeå in Schweden, kürzlich gewarnt. Auch das RKI mahnt in seinen Lageberichten, dass verhindert werden müsse, dass wie zu Beginn der Pandemie wieder vermehrt ältere und besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen erkranken. (ial mit dpa)
Der bayerische Skiort Garmisch-Partenkirchen verzeichnet einen starken Anstieg an Neuinfektionen und wird zum Hotspot. Eine 26-jährige Superspreaderin ist wohl für den Corona-Ausbruch verantwortlich.
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