Johannes Strate: "Kinder haben in sozialen Medien nichts verloren"

Als Leadsänger der Band Revolverheld steht Johannes Strate im Fokus der Öffentlichkeit. Warum der Musiker seinen Sohn weitestgehend von sozialen Medien fernhält, hat der Familienvater im Interview verraten.

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Seit knapp 20 Jahren machen vier Jungs aus Hamburg die Pop-Szene unsicher: Die Band Revolverheld ist aus der deutschen Musiklandschaft nicht mehr wegzudenken. Mit Songs wie "Spinner" oder "Halt dich an mir fest" stürmten sie die Charts, spielten vor vollen Hallen. Doch Füße hochlegen nach Millionen verkauften Platten und zahlreichen Auszeichnungen kommt für Revolverheld nicht infrage. Ganz im Gegenteil: Am Freitag (8. Oktober) erscheint mit "Neu erzählen" das sechste Studioalbum.

Neue Wege zu beschreiten, fällt dem Frontmann Johannes Strate (41) nicht schwer. "Ich bin niemand, der immer in dieselben Fußstapfen treten muss", erklärt der Musiker im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Zudem verrät der 41-jährige Familienvater, ob die Band jemals ans Aufhören gedacht hat, warum er das Gesicht seines Sohnes nicht auf sozialen Medien zeigt und in welcher TV-Show er sich ein Comeback vorstellen könnte.

Das neue Revolverheld-Album trägt den Titel "Neu erzählen". Gibt es etwas, das Sie neu erzählen wollen?

Johannes Strate: Einiges. Der gleichnamige Song ist die Fortsetzung von "Unsere Geschichte ist erzählt" vom letzten Album. Der Song handelt von einer Beziehung, die am Ende scheitert. Es kamen in den letzten Jahren immer wieder Freunde zu mir, die gesagt haben: "Ist echt ein sehr schöner Song, aber der ist so hoffnungslos. Was ist denn los mit dir?" Und dann dachte ich mir, ich schreibe den Song einfach weiter. Ich gebe dem Paar noch mal eine Chance. Kleiner Spoiler: Diesmal werden sie es schaffen. Aber es gibt auch sonst viel Neues zu erzählen. In den letzten Jahren hat sich unsere Albumproduktion sowie Arbeitsweise verändert. Wir werden selbst nicht müde, uns neu zu erzählen.

In dem Song "Neu erzählen" geht es auch darum, neue Wege zu gehen. Fällt es Ihnen leicht, Dinge hinter sich zu lassen und etwas Neues anzufangen?

Strate: Ja. Ich bin niemand, der immer in dieselben Fußstapfen treten muss. Ich habe keine Angst vor Neuem, sondern suche es bewusst und provoziere es manchmal. So sind wir auch als Band. Wir haben keine Lust 20-mal dieselbe Single rauszubringen, weil der Sound gut funktioniert. Das wäre uns zu langweilig. Wir freuen uns, wenn wir Dinge anders machen und uns immer mal wieder neu erfinden können. Das ist das, was an der Musik Spaß macht. Ansonsten wäre es eine Akkordarbeit und darauf haben wir überhaupt keine Lust.

Johannes Strate:

Revolverheld gibt es schon seit knapp 20 Jahren und in einer Band ist auch nicht immer alles harmonisch. Gibt es Themen, die euch gegenseitig auf die Palme bringen?

Strate: Wenn man länger miteinander arbeitet, wird alles entspannter. Früher waren wir jung und wild und haben jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Heute freuen wir uns einfach, dass wir seit so langer Zeit zusammen Musik machen und immer noch Leute zu den Konzerten kommen. Wir haben auch den Luxus, Pausen machen zu können. Wir reisen entspannter und schlafen nicht mehr in Jugendherbergen. Deshalb gibt es immer wenig Gründe, sich in die Haare zu kriegen.

Haben Sie je ans Aufhören gedacht?

Strate: Nein, überhaupt nicht.

Seit 2012 sind Sie Vater eines Sohnes. Hat er sich schon an Instrumenten oder am Singen versucht?

Strate: Er ist musikalisch und mag sehr gerne Musik. Aber ein Instrument lernt er noch nicht. Ich finde es gut, wenn Kinder so lange wie möglich freigelassen werden und nicht die ganze Woche durchgetaktet haben. Ich habe auch erst mit zehn Jahren angefangen, Gitarre zu spielen. Das fand ich schon früh. Ich finde es gut, wenn Kinder in der Grundschule nachmittags noch im Garten spielen können.

Auf Social Media zeigen Sie das Gesicht ihres Sohnes nicht. Warum?

Strate: Ich finde es schräg, wenn man es macht. Vor allem viele Amerikaner präsentieren ihre Kinder seit der Geburt auf den sozialen Medien oder legen eigene Accounts für sie an. In den USA gab es schon die ersten Klagen von Kindern gegen ihre Eltern. Ich finde, Kinder haben in sozialen Medien nichts verloren. Irgendwann wird mein Sohn nach Instagram fragen. Wenn er alt genug ist, kann er das selbst entscheiden.

Was mögen Sie am meisten an Ihrer Vaterrolle?

Strate: Es erweitert den Horizont. Außerdem hat man einen neuen Sparringspartner im Leben, mit dem man Themen besprechen kann und der einen ganz anderen Blick auf die Welt hat. Das freut mich sehr.

Wie schaffen Sie es, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen?

Strate: Das ist nicht schwer. Ich toure im deutschsprachigen Raum und bin alle paar Tage wieder zu Hause, wenn ich länger unterwegs bin. Aber meistens stehen nur Einzeltermine an. Dann bin ich nur ein, zwei Tage weg und deshalb funktioniert es gut.

In Ihrem Song "Keine Zeit" beschreiben Sie ein großes Problem unserer Gesellschaft. Wie gehen Sie mit Stress um? Gibt es etwas, wofür Sie sich bewusst Zeit nehmen?

Strate: Für Familie und generell Privates nehme ich mir Zeit. Ich bin an einem Punkt, an dem ich sagen kann: Ich bin heute nicht erreichbar. Aber in der Musikbranche ist es generell stressig. Die meisten, die bei einer Plattenfirma arbeiten, sind permanent überfordert. Es ist Normalzustand, dass jeder mehr Themen auf dem Tisch hat, als er schaffen kann. "Ich habe keine Zeit" ist deshalb ein völlig normaler Satz geworden - was krank ist.

Sie waren bereits zweimal Jury-Mitglied von "The Voice Kids". Würden Sie gerne nochmal auf dem Drehstuhl Platz nehmen?

Strate: Ich fand "The Voice" eine schöne und auch süße Erfahrung. Die Kinder singen auf einem sehr hohen Niveau und haben so viel Freude daran, das fand ich großartig. Deshalb könnte ich es mir durchaus vorstellen, nochmal mitzumachen.

Sie haben vor Kurzem in einem Podcast die Stadt Hamburg dafür kritisiert, dass für Popmusiker sehr wenig gemacht wird. Sie hätten zum Beispiel keinen eigenen Proberaum und müssten sich temporär einmieten. Warum ziehen Sie nicht weg?

Strate: Ich glaube nicht, dass es in anderen deutschen Städten besser ist. Es ist ein bundesweites Problem. Popmusik hat in Deutschland nicht den Stellenwert - wie zum Beispiel in Skandinavien. Dort gibt es viele Förderungen, hierzulande nicht. Bei uns ist Klassik heilig und wird stark gefördert. Die Popmusik ist der ungeliebte Stiefsohn.

Und was könnte man tun, um die Situation zu verbessern?

Strate: Beim skandinavischen Modell können Musiker Tour-Hilfen beantragen, bekommen einen Bus gestellt und können durch Europa ziehen. So haben es Bands wie Mando Diao über die Landesgrenzen hinausgeschafft. Das gab es bei uns nie und wird es nie geben, da Popmusik belächelt wird.